Um-Etikettiert
Vor einer Woche sind Kanzler Kurz und seine dänische Amtskollegin wieder einmal nach Israel gepilgert, um mit Benjamin Netanjahu über die Produktion von Impfstoffen zu plaudern. In Israel war der Staatsbesuch kaum eine Meldung wert. Netanjahu kämpft ums politische Überleben. Aber er hat wohl neun Leben. Vielleicht ist es das, was europäische Politiker so fasziniert.
Für die geplante Zusammenarbeit bei der Impfstofffabrikation hatte freilich der Wissenschaftsredakteur des ORF, Günter Mayer, nur trockenen Humor übrig. Da ginge es um mehr als um eine „Apfelquetsche“. Keine Ahnung, wie er auf diesen Vergleich kam. Auf jeden Fall hätte es Österreich hier mit Pharmakonzernen zu tun, deren Umsätze höher seien, als unser Staatshaushalt. Vollmundig wurde die Gründung einer Stiftung mit 50 Millionen Euro bekannt gegeben. Für „Apfelquetschen“ würde das wohl reichen. Aber wohl nicht einmal dafür, in Österreich Schutzmasken herzustellen, wie sich am gleichen Tag herausstellte.
Da gab es wieder mal eine Hausdurchsuchung. In einem Betrieb, der der Verwandtschaft der engsten Mitarbeiterin von Kanzler Kurz gehört, seiner Büroleiterin Wieser. Hygiene Austria heißt jener Betrieb, den Sebastian Kurz im Mai 2020 stolz auf Twitter gefeiert hat: „Die Coronakrise hat gezeigt, dass wir uns bei der Produktion von wichtiger Schutzausrüstung nicht zur Gänze auf internationale Lieferketten verlassen dürfen“, und per Videobotschaft legte er nach: „Ich bin zutiefst dankbar und stolz auf diesen Unternehmergeist und froh über das Verantwortungsbewusstsein in diesen beiden Traditionsunternehmen.“
Gemeint sind Lenzing und Palmers, die sich nach dem Platzen der Bombe letzte Woche schon gründlich zerstritten haben. Denn, wie sich inzwischen scheibchenweise bestätigt, wurden mindestens seit Dezember von Hygiene Austria chinesische Schutzmasken um-etikettiert, bzw. in Kartons mit der Aufschrift „Made in Austria“ umverpackt, von illegal in Schwarzarbeit durch Scheinfirmen beschäftigten Billigarbeitskräften.
Geschäftsführer Tino Wieser hat seine eigenen Vorstellungen von „heimischer Produktion“. Er legt inzwischen Wert darauf, dass die Schnittmuster für die chinesische „Lohnfertigung“ aus Österreich stammen, und überhaupt: „Wir sind stolz darauf, 200 Arbeitsplätze geschaffen zu haben. Ich habe keine Ahnung von Schwarzarbeit und Scheinfirmen.“
Vielleicht wird so etwas aus der gemeinsame Impfstoffproduktion. Für das Um-etikettieren chinesischer Impfstoffe wird das Geld schon reichen. Immerhin haben die Chinesen ihren Impfstoff nach einem ehemaligen österreichischen Kanzler benannt: „Sinovac“.
„Wir sind stolz darauf, 200 Arbeitsplätze geschaffen zu haben. Ich habe keine Ahnung von Schwarzarbeit und Scheinfirmen.“
Hanno Loewy
hanno.loewy@vn.at
Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.
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