Julia Ortner

Kommentar

Julia Ortner

Ehrlich erklären und Mut machen

Vorarlberg / 29.03.2021 • 22:40 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Einmal noch den beginnenden Frühling genießen, bevor die Osterruhe – klingt ja gleich weniger unangenehm als „Lockdown“ – die Lebensfreude im Osten wieder zu zähmen versucht, und wir werden sehen, wie lange die Pause tatsächlich währen wird. In den vergangenen Tagen waren manche in der Bundeshauptstadt jedenfalls intensiv damit beschäftigt, die Jungen, die sich draußen zum gemeinsamen Abhängen treffen, zu maßregeln oder sich über die Älteren zu beschweren, die sich in der Innenstadt vor den üblichen gesellschaftlichen Treffpunkten gerne auf ein Glaserl Champagner treffen (manchmal auch auf mehr als eines).

Contentance, liebe Mitmenschen. Sich über den jeweils anderen zu empören, der sich nicht perfekt an die Regeln hält, der zumindest im Freien etwas Kontakt zu Freundinnen und Freunden sucht, wird uns leider nirgendwohin führen. Ja, es ist so, dass sich heute zahlreiche Menschen im Vergleich zum 1. Lockdown des Vorjahres nicht mehr brav an die Coronamaßnahmen halten, weil sie der unübersehbaren Situation müde, überdrüssig, manche auch verzweifelt sind. Das ist überhaupt nicht vernünftig, aber menschlich.

Unsichtbare Gefahr

Die steigenden Corona-Zahlen lägen an dieser mangelnden Disziplin und der Ausbreitung der aggressiveren britischen Variante des Virus, analysiert auch Walter Hasibeder, als Leiter der Intensivmedizin im Tiroler Zams seit einem Jahr an vorderster Front im Kampf gegen Corona. Der neue Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin sagt am Montag im Ö1-Morgenjournal: „Das Problem ist, dass eine Gefahr, die man nicht unmittelbar erkennt, für die meisten Menschen, die nicht in der Medizin tätig sind und sehen, was wir sehen, im Krankenhaus und auf der Intensivstation, einfach nicht existent ist. Jeder vergisst, dass er der nächste Infizierte sein kann.“

Krisenkommunikation in der Pandemie ist besonders schwierig, auch weil sich die Parameter ständig ändern und die Erfahrungswerte fehlen. Und weil bis zu einem Drittel der Menschen hierzulande mehr oder weniger für Verschwörungsglauben anfällig sind. Dennoch geht es jetzt darum, möglichst viele mitzunehmen – wie die Politik das besser erreichen könnte, hat die Psychologin Barbara Juen von der Universität Innsbruck am Sonntag in der ORF-Diskussion „Im Zentrum“ beschrieben: Es sei wichtig, der Bevölkerung die Ernsthaftigkeit der Bedrohung zu erklären, gleichzeitig müsse man das mit Mut machenden Botschaften kombinieren – „aber nicht mit leeren positiven Botschaften, sondern mit realistischen positiven Botschaften“. Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, das hat uns schon die große Schriftstellerin Ingeborg Bachmann mitgegeben.

„Sich über den jeweils anderen zu empören, der sich nicht perfekt an die Regeln hält, wird uns leider nirgendwohin führen.“

Julia Ortner

julia.ortner@vn.at

Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und arbeitet für den ORF-Report.

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