Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Gegenbilder

Vorarlberg / 30.03.2021 • 18:30 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Zwei Themen beherrschen die Innenpolitik diese Woche: Die Varianten des Lockdowns zwischen dem Westen und der Ostregion sowie das politische Sittenbild rund um Postenbesetzungen, enthüllt durch den eifrigen SMS-Austausch zwischen Bundeskanzler, Finanzminister und ÖBAG-Chef. Was beide Themen gemeinsam haben, ist ihre von falschen Bildern geprägte Präsentation.

Da sehen wir Tiroler lachend in Vorarlberger Gasthäusern sitzen oder Wiener wenige Tage vor dem angekündigten Lockdown in Schlangen vor den noch offenen Geschäften anstehen. Selbstverständlich können regionale Lösungen so nicht funktionieren und wird der Gesundheitsminister gezwungen, sowohl Betriebe als auch Bevölkerung mit Ankündigungen über Nacht zu überfallen. Doch selbst wenn er zu so drastischen Mittel greifen wollte, Rudolf Anschober braucht eine gesetzliche Grundlage.

Die Opposition beklagte zuletzt im Jänner, dass die Begutachtungsfrist zum Epidemie- und Covid-Maßnahmengesetz zu kurz war und die darin theoretisch vorgesehenen Befugnisse des Ministers prinzipiell zu weit gingen. Einerseits soll es also schnell gehen, andererseits verlangen alle breite Einbindung und drohen mit Blockade im Bundesrat. Doch noch einen fehlerhaften Ostererlass, wie vor einem Jahr, kann und darf sich das Gesundministerium nicht erlauben.

Denn alle, die nicht jeden Spielraum nutzen, scheinen die Dummen zu sein.

Der wichtigste Faktor bei Eindämmung der Pandemie ist die Einsicht der Bevölkerung und ihre Bereitschaft, die Maßnahmen mitzutragen. Daher sind die oben genannten Bilder mehr als kontraproduktiv. Denn alle, die nicht jeden Spielraum nutzen, scheinen die Dummen zu sein. Noch dazu entsteht der Eindruck, die Mehrheit verhalte sich unvernünftig, obwohl dies nicht der Realität entspricht. Es sind die Ausnahmen, die durch die Darstellung zur Norm werden.

Ein ähnlicher Effekt ist bei der Diskussion rund um Postenbesetzungen zu beobachten. Dass unsere Spitzenpolitiker derart kindische SMS verschicken, ist peinlich. Dass wieder einmal ein Job durch Beziehungen statt durch Qualifikation vergeben wurde, schreit nach Rücktritten, schärferen Gesetzen, mehr Transparenz. Selbstverständlich ist jeder Fall einer zu viel. Doch viel größer ist die Gefahr, dass wir resignieren und die schlechten Beispiele als Normalfälle akzeptieren. Viel zu oft verharmlost die Diskussion die skandalösen Vorgänge nach dem Motto „Haben eh immer schon alle so gemacht“.

Konzentrieren wir uns also auf jene Hälfte der Postenbesetzungen im öffentlichen Bereich, die ohne parteipolitische Einflussnahme erfolgt sind. Nehmen wir diese als Beispiele, ja als Vorbilder, und stellen sie vor den Vorhang. So wie all die Bürger, die sich an die Maßnahmen halten, mehr Platz im öffentlichen Raum und in der öffentlichen Darstellung verdienen.