Sehnsuchtsort Tischgemeinschaft

Der Gründonnerstag „auf Sparflamme“ erzählt vom Wert des gemeinsamen Mahlhaltens.
Schwarzach Am Gründonnerstag feiert die Kirche das letzte Abendmahl „auf Sparflamme“: Ohne Fußwaschung, dafür mit Abstand und Masken. Das ist nicht minder intensiv: Denn das gemeinsame Mahlhalten ist zu einer Art Ikone geworden in den Monaten der Pandemie, ein Sehnsuchtsort für alle.
Warum beim Mahl? Warum verkündet Jesus Christus sein Vermächtnis beim Abendessen? Der Prediger aus Galiläa muss zu diesem Zeitpunkt allen Überlieferungen zufolge schon eine Größe gewesen sein. Einer, dem die Massen hinterherliefen, dessen Worte die Runde machten, den die Obrigkeit als Bedrohung empfand. So einer verkündet sein politisches Testament in einer Massendemo. Legt dabei die ganze Innenstadt lahm. Warum beim Abendessen im kleinen Kreis hinter verschlossenen Türen?
Ziemlich provokant
Fabian Jochum trägt zwei Schalen Kaffee aus der Küche und schiebt einen Stoß Papiere zur Seite. Auf dem Klavier warten schon Noten auf den nächsten Einsatz. Jeden Freitag um 18 Uhr spielt und singt er für eine kleine Instagram-Gemeinde. „Das war ja schon sehr provokant von Jesus“, sagt er und meint damit überhaupt die vielen Erzählungen von den Gastmählern, die Jesus besucht hat. Bei oberflächlicher Lektüre könnte man leicht den Eindruck eines richtigen antiken Partytigers erhalten.
Der Feldkircher Dompfarrer sieht das zunächst sehr pragmatisch. „Ich stell mir grad vor, dass Jesus ja keinen Pastoralplan oder Tourplan hatte: Da schicken wir schon mal Flyer voraus und Plakate …“ Jochum kann sich ein Lachen nicht verkneifen. „Wer genau plant, irrt präzise“, sagt er und redet der Spontaneität das Wort. Damals wie heute. „Die beste Gelegenheit, junge Leute zu treffen, ist doch immer, was sich gerade spontan ergibt.“ Er hat den Sommer 2020 vor Augen. Der war Corona-mäßig relativ entspannt. Jochum hat ihn als eine lange Abfolge von Geburtstagfesten in Erinnerung. Man sah sich im Freien. „So viele junge Leute habe ich sonst nie getroffen“, sagt der Dompfarrer mit Blick auf die Kirche, die oft noch wartet, dass die Leute zu ihr kommen, statt zu den Leuten zu gehen.
Beim Mahl erkannt
Das ist das eine. Und so trifft dieser Gründonnerstag 2021 die Menschen mitten ins Herz. Kaum etwas haben sie in der Krise schlimmer empfunden als das Verbot, sich nahe zu sein. Miteinander zu essen. Zwanglos um einen Tisch zu sitzen. „Diese Mahlsymbolik ist unglaublich intensiv.“ Sie erzählt im Übrigen auch davon, wer dazugehört und wer nicht. „Jesus hat sich oft selber eingeladen bei denen, die ausgeschlossen waren.“ Das prominenteste Beispiel liefert der Zöllner Zachäus, den die Menschen hassen. Ausgerechnet bei ihm kehrt der Wunderrabbi aus Nazareth ein. Das stellt auch den kindlichen Glauben auf den Kopf. „Wir denken immer: Sei schön brav, dann hat Gott dich gern. Aber es ist anders herum: Jesus geht zu Zachäus und der ändert sich, weil Jesus zu ihm kommt.“
Fabian Jochum erblickt darin „das eigentliche österliche Zeichen“: Gegessen hat Jesus mit seinen Jüngern beim letzten Abendmahl bereits im Angesicht des Todes. So steht das Essen für die Verwandlung vom Tod ins Leben. Denn später wird der Auferstandene genauso wie vor seinem Tod mit den Jüngern wieder essen und trinken „und die Jünger haben ihn daran erkannt“.
Juden rund um den Erdball erinnern sich zu Beginn des Pessach-Festes am sogenannten Sederabend während eines rituellen Abendessens an die Befreiung ihres Volks aus der ägyptischen Sklaverei. „Sie tun das immer mit der Hoffnung und sprechen es zum Schluss auch aus: Nächstes Jahr in Jerusalem!“ Der Gründonnerstag ist voller Hoffnung. Auch wenn er heuer sehr leise gefeiert wird. TM

Dompfarrer Fabian Jochum.
Steinmair/Kath. Kirche Vorarlberg
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