Coronaruhe als Augenöffner für die Natur

Bianca Burtscher, Obfrau des Naturschutzbundes, über Vor- und Nachteile der Pandemie für Umweltanliegen.
Bregenz Für die Interessen des Naturschutzes hat die Lähmung des öffentlichen Lebens durch Corona durchaus auch Gutes gebracht. Davon ist Bianca Burtscher (51), Obfrau des Naturschutzbundes Vorarlberg, überzeugt. Der Kampf für ein ökologisches Rhesi (Rhein-Erholung-Sicherheit) und gegen die S 18 sei auch in der Pandemie-Zeit nicht erlahmt.
Wie geht’s dem Naturschutzbund und dessen Anliegen in Zeiten von Corona?
Uns geht es erfreulicherweise gut, obwohl Corona unsere Themen natürlich in den Hintergrund gedrängt hat. Das Zurückfahren der Hektik hatte aber auch Vorteile. Viele Menschen fanden Ruhe, hatten mehr Zeit, hielten sich in der Natur auf und haben dort viel Schönes entdeckt. Diesbezüglich erhielten wir mehrere Rückmeldungen.
Ihr Büro ist geschlossen. Wie sehr hatte das Einfluss auf Ihre Aktivitäten?
Wir sind im Home-Office und konnten durch die modernen Kommunikationsmittel durchaus unsere Aufgaben erfüllen. Wir wollten durch den temporären Auszug aus dem Büro einfach auch unseren Beitrag zur Eindämmung der Infektion leisten. Sobald es die Entwicklung erlaubt, werden wir natürlich wieder an unseren gewohnten Arbeitsplatz zurückkehren.
Was würden Sie als Erfolge der Umweltaktivisten in den letzten Monaten nennen?
Der Stopp der Errichtung einer Bodenaushubdeponie bei der Tschengla war ein großer Erfolg für die Naturschutzinteressen. Das hat uns sehr gefreut. Ebenso freut es uns, wenn wir erleben dürfen, dass Gemeinden trotz angespannter Budgetlage willens sind, ökologische Projekte umzusetzen. Ich nenne diesbezüglich zwei Beispiele. Da ist zum einen die Gemeinde Götzis. Dort haben wir unsere Zusammenarbeit mit der Kommune soeben um fünf Jahre verlängert. Es wird nun weiter möglich sein, Biotope und Moorflächen zu entwickeln. Als zweite Kommune möchte ich Lauterach erwähnen. Dort konnten wir uns darauf verständigen, gemeinsam weitere Aktivitäten zum Schutz und der Entwicklung von Wiesenbrütern im Ried zu lancieren.
“Einige Gemeinden setzen trotz Budgetknappheit ökologische Projekte um. Das freut mich.”
Bianca Burtscher, GF Naturschutzbund Vorarlberg
Was sehen Sie im Rückblick auf die vergangenen Monate als Rückschlag für die Anliegen der Natur?
Da muss ich spontan die Ereignisse im Zusammenhang mit der Annulierung der Volksabstimmung in Ludesch erwähnen. Da geht es auch um ein prinzipielles Problem. Dass nämlich Bürgerinitiativen das Instrument von Volksabstimmungen grundsätzlich verwehrt werden soll. Hier würde es eine Verfassungsänderung brauchen. Wir benötigen eine starke Allianz für den Bodenschutz. Solche Ereignisse sind nicht dazu angetan, dies zu ermöglichen.
Was sind die großen Herausforderungen für den Naturschutz in nächster Zeit?
Es sind eine Vielzahl von Aktivitäten, die wir entfalten wollen. Natürlich gibt es auch Schwerpunkte. Da ist zum einen das Ried, das wir unbedingt schützen und ökologisch entwickeln wollen. Und das führt uns zur Entlastungsstraße. Der Trasse mitten durchs Ried wurde jetzt zwar eine Absage erteilt, wir sind aber auch gegen die CP-Variante. Wir glauben an den Vorteil von kleinräumigeren Lösungen für eine Entlastung und wollen uns dafür stark machen.
Und was ist mir Rhesi? Gehen Sie da konform mit den kämpferischen Kollegen aus der Schweiz, die eine totale Ablehnung des jetzt vorliegenden Projekts postulieren?
Ich sehe die Schweizer Gesinnungsgenossen nicht als Fundamentalopposition. Die Konflitkultur ist dort halt eine schärfere, man kämpft mit härteren Bandagen. Wir sind uns in puncto Anliegen jedoch einig. Wir wollen die Planungen begleiten und möglichst viel Ökologie für das Vorhaben herausschlagen. Die Planer bemühen sich sehr, uns einzubinden, stoßen bei den Entscheidungsträgern jedoch auf Grenzen. Im Großen und Ganzen befinden wir uns jedoch in einem konstruktiven Dialog.
Wie schwer ist es in diesen Zeiten, Menschen für den Naturschutz zu mobilisieren?
Es fallen derzeit einige Möglichkeiten der Mobilisierung weg. Und doch gelingt es bei konkreten Projekten, Menschen anzusprechen und zu einem Einsatz zu bewegen. Auch die Jugendbewegung Fridays for Future lebt weiter und setzt starke Zeichen.
Die rechtlichen Möglichkeiten für Naturschutzgruppen haben sich auf EU-Ebene verbessert. Sie bekommen jetzt viel öfter Parteienstellung. Was hat das für Ihre Arbeit verändert?
Das hat uns in der Tat mit mehr Möglichkeiten ausgestattet. Wir werden jetzt bei bestimmten Vorhaben schon im Vorfeld besser informiert. Es hat unseren Stellenwert eindeutig verbessert. Man wird ernst genommen.
Bianca Burtscher
Bianca Burtscher ist gebürtige Höchsterin, lebt aber schon viele Jahre in Bregenz. Sie ist studierte Biologin und seit 20 Jahren Geschäftsführerin des Naturschutzbundes Vorarlberg. Bianca Burtscher ist 51 Jahre alt.