Lockerungen erst bei Überlastung der Intensivstationen gefährdet

Wallner will keine Rücknahme der Modellregion. Künftiger Minister sieht sie aber kritisch.
Wien, Bregenz Der künftige Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) ist kein Freund der Lockerungen in Vorarlberg. “Sollen sie doch die Sau schlachten und feiern”, sagte er Ende März, nur eine Woche nach den Öffnungsschritten im Land. Zu Gast bei Puls4 war er überzeugt, dass die Vorarlberger in drei Wochen dafür bezahlen müssten. Genau drei Wochen später wird Mückstein von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) als neuer Gesundheitsminister präsentiert.

Anders als im Osten Österreich sind die Intensivstationen in Vorarlberg noch nicht überlastet. Bei den Infektionszahlen hat das Land allerdings den Vorsprung verspielt. Vorarlberg verzeichnet 176 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche. Österreichweit liegt der Durchschnitt bei 209. Das Land könnte in den nächsten Tagen bereits hinter Tirol und Niederösterreich rutschen. Die Steiermark steht mit den Infektionszahlen schon besser da.

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sieht die Modellregion nicht gefährdet. Er würde sie erst zurücknehmen, wenn es auf den Intensivbetten zu einer Überbelegung komme. 52 Intensivbetten stehen zur Verfügung. 29 werden derzeit für Patienten ohne Coronavirus gebraucht. Neun sind mit Covid19-Patienten belegt, 14 frei. “Da wird noch niemand unruhig.” Erst wenn die Bettenzahl über 52 hinaus aufgestockt werden müsse, zieht Wallner in Betracht, die Lockerungen zu prüfen. Er ist überzeugt, dass weder Gastro noch Veranstaltungen für die steigenden Infektionszahlen verantwortlich sind. Das bestätige auch die Gesundheitsagentur Ages. Es liege an der Virusvariante und den vielen Tests. “Bei einem ehrlichen Bundesländervergleich müsste man sagen: Wenn wir so wenig testen würden wie ihr, hätten wir die halbe Inzidenz.”
Zuerst persönliches Gespräch
Die Aussagen des Ministers nimmt Wallner gelassen: “Ich habe einen fairen Zugang. Was vor der Ministerzeit gesagt wurde, kommentiere ich nicht.” Wichtig sei ein persönliches Gespräch. Das sollte noch am Dienstagabend stattfinden. Wallner plädiert für den Blick aufs Ganze, nicht allein auf die Inzidenz. Außerdem erklärt er, dass dank der Lockerungen viel mehr getestet wird. “Im Osten Österreichs meinen manche, bei uns wird fröhlich im Gasthaus gefeiert.” Aber dem sei nicht der Fall, verweist Wallner auf die Sperrstunde, die Regeln und die Zutrittstests. Das müsse auch Mückstein erkennen.

Landesrat Johannes Rauch (Grüne) gesteht, dass die Modellregion einfacher zu halten ist, wenn die Zahlen stimmen. Man müsse aber beurteilen, woher die Steigerungen kommen. Die Lockerungen verteidigt er in “Vorarlberg live”. Es sei bei der damals günstigen Infektionslage darum gegangen, einen Weg aus der Pandemie zu finden.

Mückstein wäre vorsichtiger gewesen, wie er vor drei Wochen sagte: “Ich hätte es viel ansprechender gefunden, wenn Vorarlberg gesagt hätte, wir haben niedrige Zahlen und surfen jetzt auf diesen in den Sommer.”
Text: Birgit Entner-Gerhold & Michael Prock
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