Ein Verein kämpft um seinen Zeugwart

Mustafa Murtazawi, Zeugwart bei BW Feldkirch, kämpft um Asyl.
Feldkirch Ein Fußballverein ist mehr als elf Spieler und ein Trainer. Ohne Ehrenamtliche, die am Kiosk, an der Kassa oder in der Platzsprecherkabine arbeiten, funktioniert kein Verein. Eine besondere Rolle kommt dem Zeugwart zu. Er wäscht die Trikots, pumpt die Bälle, füllt die Trinkflaschen und sorgt bei Auswärtsfahrten dafür, dass die Kampfmannschaft im richtigen Dress aufläuft. Kurzum: Ohne Zeugwart sind Kampfmannschaften auch im Amateurbereich oft aufgeschmissen. Mustafa Murtazawi ist so ein Zeugwart. Der 37-Jährige hat im Sommer 2019 diese Tätigkeit übernommen und gehört mittlerweile zum Inventar des Vorarlbergligaklubs BW Feldkirch. Wie lange er das noch machen kann, ist ungewiss. In zwei Wochen muss der Afghane nach Wien vor das Bundesverwaltungsgericht, sein Asylverfahren befindet sich in der zweiten Instanz. Der Verein kämpft für seinen Verbleib. Das Kuriose dabei: Während er einen negativen Bescheid erhielt, darf seine Schwester bleiben. Sie hat 2018 Asyl gewährt bekommen.

Die Familie Murtazawi hat Österreich im Jahr 2015 erreicht, im November suchte sie um Asyl an. Mustafa, seine Schwester, zwei Brüder und seine Mutter kamen schließlich in Frastanz unter. 2018 folgte das erste Interview mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Wenige Tage später erhielt Mustafa Murtazawis Schwester Zainab einen positiven Asylbescheid. Der Rest der Familie muss noch ein paar Monate warten, Ende 2018 dann die schlechte Nachricht: Asylantrag abgelehnt. Wie kann das sein? Laut Ralf Niederhammer, Anwalt der Kanzlei von Asylrechtsexperte Georg Bürstmayr, ist das nicht ungewöhnlich. „Es hängt davon ab, ob die Kinder volljährig sind.“ Bei den Murtazawis ist das der Fall, weshalb alle Verfahren einzeln geführt werden. Eine VN-Anfrage bei der Bundesbetreuungsagentur, die seit kurzem die Rechtsberatung von Asylwerbern übernommen hat, ergibt: Es handelt sich bei weitem um keinen Einzelfall.

Asylwerber dürfen in Österreich nicht arbeiten. Nur die sogenannte Integrationstätigkeit, also Hilfsarbeiten mit einem Höchstverdienst von 110 Euro im Monat, sind erlaubt. Ausnahmen gibt es in der Saisonarbeit im Gastgewerbe oder der Landwirtschaft, und zwar auf die Dauer von sechs Monaten. Mustafa Murtazawi und seine Brüder tun, was sie dürfen. Er selbst hat für die Stadt Feldkirch im Einsatz, hat Coronamasken genäht, lernt Deutsch, malt Bilder und verkauft sie. Den Erlös spendet er an die Caritas. „Mehr darf ich momentan nicht. Ich würde gerne arbeiten“, erklärt der 37-Jährige. Hätte er einen positiven Bescheid, könnte er das tun. Einen Vorvertrag für den ersten Tag mit Arbeitserlaubnis hat Mustafa Murtazawi bereits unterschrieben.

Insgesamt befinden sich derzeit 787 Asylwerber in der Grundversorgung in Vorarlberg. Zudem befinden sich allein in den Caritas-Quartieren 488 Bleibeberechtigte, die eine Wohnung suchen, wie Bernd Klisch von der Caritas Flüchtlingshilfe erläutert. Sie haben normale Mietverträge abgeschlossen, die Hälfte davon habe nach kurzer Zeit schon einen Job gefunden und bezahlt die Miete selbst, sagt Klisch. Wieviel Vorarlberger mit negativen Asylbescheid derzeit in Vorarlberg leben, ist nicht bekannt. Die Landesregierung kennt nur die Zahl in den Grundversorgungsquartieren, und das sind derzeit 99 Menschen mit rechtskräftig negativem Bescheid. In Innenministerium kann man keine Auskunft über Bundesländerzahlen geben. Der Bescheid von Mustafa Murtazawi ist nicht rechtskräftig. Er hat Beschwerde eingelegt, am 30. April findet die Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) statt. Seine Chancen stehen nicht schlecht, wie die Statistik zeigt.

21.500 Einzelentscheidungen in über 17.000 Verfahren gegen BFA-Bescheide hat das Bundesverwaltungsgericht im Vorjahr abgeschlossen. 9730 wurden abgeändert oder aufgehoben, also 45 Prozent, wie eine Anfragebeantwortung des Innenministeriums an die Neos ergab. 4800 Verfahren dauerten wischen 2 und 3 Jahre, 2700 Verfahren sogar über drei Jahre. Die Murtazawis sind bereits seit fast sechs Jahren in Österreich, seit fast drei Jahren läuft das Verfahren in zweiter Instanz. Mangelnde Integration kann man den Familienmitgliedern nicht vorwerfen. Sie sind ausgebildet oder absolvieren Kurse. Zainab Murtazawi hielt bereits 2016 einen Vortrag beim Forum Alpbach und arbeitet seit 2018 als Einkäuferin im IT-Bereich.

Einen Monat lang habe ihre Flucht gedauert, erzählt sie. Per Bus, per Auto, zu Fuß, es sei schrecklich gewesen. Nun sind ist die Familie in Feldkirch angekommen und der Fußballverein hofft, dass alle bleiben dürfen. Vor allem Mustafa. Über 700 Menschen haben bereits eine Petition auf der Vereinshomepage unterschrieben. BW-Feldkirch-Obmann Bernhard Neuberger ist überzeugt: „Er gehört zu uns. Mustafa ist sehr engagiert, integriert sich und fällt stets positiv auf.“ Dass er mit seinen Bildern schon anderen Asylwerbern hilft, sei nicht selbstverständlich. Der Druck der Ungewissheit lastet auf dem Afghanen. Er schlafe nur wenige Stunden pro Nacht. Er hofft, dass er bleiben und arbeiten darf. Denn eines möchte er nicht: „Ich mag niemandem zur Last fallen.“

Der sportliche Leiter Heinrich Olsen war zu Gast bei Vorarlberg live
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