Künstler tOmi Scheiderbauer: “Ergib dich dem Leben”

Vorarlberg / 21.04.2021 • 11:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Künstler tOmi Scheiderbauer: "Ergib dich dem Leben"
tOmi Scheiderbauer, der derzeit in seiner Heimatstadt Bregenz weilt, sprüht vor Lebensfreude. Im Jahr 2019 stand sein Leben auf der Kippe. Die lebensbedrohliche Krankheit enthüllte dem Künstler tiefe Einsichten. KUM

Künstler tOmi Scheiderbauer erkrankte im Jahr 2019 lebensbedrohlich. Heute sagt der Überlebende: “Der Tumor war ein Segen.”

Bregenz Diese Woche im Jahr 2019 hatte es in sich. tOmi Scheiderbauer (60) wurde der internationale Kunstpreis des Landes Vorarlberg verliehen. Außerdem gewann der in Italien lebende Künstler einen Wettbewerb, den das Krankenhaus Feldkirch ausgeschrieben hatte. Die schlechten Nachrichten folgten bei Fuß. Scheiderbauer wurde mitgeteilt, dass er an Leukämie und an einer seltenen Blutkrankheit leidet und es um Leben und Tod geht. „Der Arzt sagte zu mir: ,Wenn Sie an Gott glauben, dann halten Sie sich an ihm fest.‘“ Die bestürzende Diagnose schmälerte seine Freude über die Anerkennung nicht und schockte ihn auch nicht. Denn: „Ich bin keiner, der sich am Leben festkrallt.“ Der Tod war für ihn kein Schreckgespenst. Weil er sich viele Jahre mit Mystik auseinandergesetzt hatte, ging er davon aus, „dass man nicht sterben kann, weil man nicht geboren ist“.

Nackt wie ein Wurm

Die Krankheit – Scheiderbauer nennt sie Herausforderung – fesselte ihn ein Jahr ans Bett und bereitete ihm extreme Schmerzen an Händen und Füßen. „Meine Freundin Francesca gab ihre Arbeit auf, um mich zu pflegen.“ Im Zuge der Behandlung musste sein Immunsystem heruntergefahren werden. „Jetzt schützte mich nichts mehr. Ich war nackt wie ein Wurm.“ Der Bregenzer tat in seiner Ohnmacht das Einzige, was er tun konnte: „Ich ließ mich fallen und sagte Ja.“ Der schwerkranke Mann nahm sein Schicksal an und vertraute dem Leben und darauf, dass alles seine Richtigkeit hat. „Ich umarmte das, was ist.“ Der Tumor war für ihn nicht der böse Eindringling, sondern ein Teil von ihm selbst. „Er war mein Freund.“ Scheiderbauer wurde bewusst, was Hingabe bedeutet. „Ich gab mich dem Leben hin und lebte.“ Er wusste nicht, was passieren würde, wenn er sich dem Leben ergibt und dem, was ist, keinen Widerstand entgegensetzt. „Ich dachte bloß: ,Nimm alles an und lass dich überraschen.’“

Seine Offenheit und Neugierde für das Leben und die Wahrheit katapultierte ihn ins Jetzt, „in den einzigen Moment, wo Leben stattfindet“. Seine Gegenwärtigkeit bescherte ihm einen bis dahin nie gekannten Frieden. Er erkannte auch, dass die Gegenwart eine tiefe Wahrheit birgt. „Weil ich kurz aus der Zeit heraustreten durfte, merkte ich, was das Leben ist: Bewusstsein, das gleichbedeutend mit dem Jetzt ist.“ Er nahm sich als dieses Bewusstsein wahr und  begann zu verstehen, was mit ewigem Leben gemeint ist. „Eines bleibt immer gleich, das Bewusstsein. Es ist unberührt von Zeit und Raum. Es ist unvergänglich.“

“Ich bin dankbar, dass ich den Tumor geschenkt bekommen habe.”

tOmi Scheiderbauer

Wegen dieser Einsichten ist Scheiderbauer zutiefst dankbar, „dass ich den Tumor geschenkt bekommen habe. Er war ein Segen.“ Heute sind seine Blutwerte wieder in Ordnung. „Die Leukämie ist im Lot.“ Seine Blutkrankheit ist nicht geheilt. In den Beinen plagen ihn nach wie vor Schmerzen.

Der Künstler möchte ein Buch über seine Erfahrungen schreiben und dazu ermutigen, öfters im Jetzt anzukommen und sich dem Leben zu ergeben. „Hingabe ans Leben ist wahre Liebe und der Schlüssel zu einem glücklichen Leben. Wir sollten das, was ist, annehmen. Jeder Frust und jedes Problem entstehen nur deshalb, weil ich mich gegen die Ist-Situation wehre. Widerstand erzeugt Schmerz.“

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