Pulmologe warnt vor hoher Fallzahl wegen Long Covid

Vorarlberg / 03.05.2021 • 14:38 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Pulmologe warnt vor hoher Fallzahl wegen Long Covid

Rund 2800 Long Covid-Betroffene in Vorarlberg, schätzt Experte Primar Peter Cerkl.

Hohenems Zehn Prozent der Corona-Patienten leiden auch sechs Monate nach Abklingen der Infektion noch immer unter den Folgen ihrer Covid-Erkrankung. In Vorarlberg trifft das Phänomen Long Covid oder Post Covid also rund 2.800 Personen. “Wir haben keine genauen Zahlen, aber so um den Dreh”, bestätigte Peter Cerkl, Primar der Pulmologie am LKH Hohenems, und warnte daher davor, nur auf die Belegung der Intensivstationen zu schauen und höhere Fallzahlen in Kauf zu nehmen.

Waren bisher vor allem Ältere betroffen, gebe es nun viele Corona-Patienten im mittleren und jungen Alter, die im Berufs- und Familienleben stünden. Vor Long Covid ist laut Cerkl niemand gefeit, häufig treffe es aber junge Frauen und Frauen im mittleren Alter mit schwereren Verläufen. Betroffene litten Wochen und Monate lang unter Konzentrations- und Wortfindungsstörungen, Beeinträchtigung des Geschmacks- und Geruchssinns, Atemnot und Erschöpfung. “Die organischen Befunde sind normal, sie kommen aber trotzdem kaum mehr eine Stiege hinauf”, so Cerkl und warnte davor, die Fallzahlen als Kriterium in der Bekämpfung ganz außer Acht zu lassen. “Man muss sich damit auseinandersetzen”, betonte der Primar und “eine Ansteckung vermeiden”.

Betroffene erholten sich oft nur langsam. “Und es gibt nicht viel, was wir tun können. Viele erwarten eine Tablette und gut ist, aber das gibt’s nicht”, so der Mediziner. Man biete den Patienten neurokognitive, logopädische und pulmonale Reha-Therapien, vor allem aber bräuchten die Patienten Geduld und Zeit. Derzeit würden die Langzeit-Kranken über die Ambulanz des LKH Hohenems mitbetreut, eine eigene Long-Covid-Ambulanz gebe es bisher nicht. “Mit unserem derzeitigen Personalstand wäre das auch nicht zu stemmen”, so Cerkl. Man habe sich die Betreuung daher unter den Disziplinen aufgeteilt, je nach Symptomatik. Zudem tausche man sich immer wieder mit Innsbruck aus. Das reiche derzeit für die Betreuung der Vorarlberger Patienten aus.

Anlaufstelle sei auch der niedergelassene Bereich. Die Ärzteschaft, ob niedergelassen oder im Spital, sei sensibilisiert, bei entsprechenden Symptomen auch eine Corona-Infektion, die möglicherweise sogar unentdeckt ablief, in Betracht zu ziehen. Corona-Patienten, die lange auf der Intensivstation lagen, erholten sich nach derzeitigem Stand trotz eines langen Weges oft gut. Ein kleiner Teil trage aber schwere Organschäden davon, vor allem an der Lunge. “Zum Glück betrifft das nicht viele, aber je mehr krank werden, umso höher wird auch die Zahl jener mit schwerem Verlauf”, erinnerte der Lungenspezialist. Für ihre stationäre Reha arbeite man mit einem Zentrum in Münster zusammen, allerdings gebe es dort Wartelisten.

Als Hintergrund des Phänomens Long Covid wird laut Cerkl momentan ein Autoimmunprozess vermutet, vieles sei aber noch unklar und stehe in Diskussion. Dass manche Betroffenen von einer Besserung nach ihrer Corona-Impfung berichteten, würde ebenfalls für einen Zusammenhang mit einem autoimmunen Prozess sprechen, sagte Cerkl. Daher sei auch für Genesene einige Monate nach der Gesundung eine Impfung jedenfalls anzuraten.

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