Mutige Denkerinnen

Philosoph Wolfram Eilenberger gab Einblick in das abenteuerliche Leben von vier außergewöhnlichen Frauen.
Feldkirch Dass die Philosophie kein verstaubtes Fachgebiet, sondern höchst aktuell ist, stellte ein Vortrag von Wolfram Eilenberger im Rahmen der Reihe Tangenten am Samstag im Theater am Saumarkt unter Beweis. Eilenberger unterrichtet an der ETH Zürich, moderiert unter anderem die „Sternstunden der Philosophie“ im SRF und ist Autor mehrerer Bücher. Im Rahmen des Vortrags präsentierte er sein neuestes Buch mit dem Titel „Feuer der Freiheit: Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten (1933-1943)“. Es ist ein Anschlussbuch an das vorhergehende Werk „Zeit der Zauberer“.
Fokus auf den Menschen
Wolfram Eilenberger betonte, in seinem Fokus sei eine Alternativgeschichte des 20. Jahrhunderts, die sich auf den Menschen konzentriert. So bezeichnete er seine Bücher als erzählende Sachbücher. Während in „Zeit der Zauberer“ vier Philosophen der 1920er-Jahre exemplarisch dargestellt wurden, waren dies im neuen Werk die Philosophinnen Simone de Beauvoir, Hannah Arendt, Simone Weil und Ayn Rand. Er fokussierte sich auf relativ frühe Lebensabschnitte dieser Denkerinnen, in der sich ihre Lebenseinstellungen formten. Ältere Philosophen würden eher zu Verwaltern der eigenen Ideen. Der historische und soziale Kontext spiele bei der Entstehung von philosophischen Positionen eine wichtige Rolle. Während nach dem Ersten Weltkrieg die Individualisierung der Menschen zentral stand, folgte ab den 1930er-Jahren eine allgemeine Kollektivierung. Die Frage nach den „Anderen“ führt automatisch zu einer Frage nach der Freiheit. Die Existenz von anderen Menschen könne zu einem Ermöglichungsgrad für die Freiheit führen, aber auch zu einer Gefährdung derer.
Politischer Zwang als Gefährdung
So unterschiedlich die philosophischen Positionen dieser Denkerinnen auch waren – es vereinte sie eins: Sie verkörperten ihre Grundsätze und Lebensentwürfe radikal. So hungerte sich beispielsweise Simone Weil im Jahr 1943 ganz bewusst zu Tode. Es waren mutige Frauen, die in einer Zeit, in der der Mensch als Individuum von der politischen Bühne zu verschwinden drohte und das Kollektiv vorherrschte, für die Freiheit des Einzelnen kämpften.
Ein Thema, das heute aktueller denn je ist. Politischer Zwang übe einen enormen Druck auf Individuen aus. Im aufkommenden Faschismus und Stalinismus dieser Zeit entwickelte sich die höchste Zumutungsstufe für den Einzelnen, so Eilenberger. Für Frauen habe es immer schon etwas anderes bedeutet, zu philosophieren. „Für mich sind sie jedoch Philosophierende, die auch Frauen waren“, so Eilenberger.
Eigenwillige Denkweisen
Simone Weil war für ihn eine prägende, nahezu schon erschütternde Entdeckung: „Ihre ‚Cahiers‘ beinhalten so eine Tiefe, Kraft und Eigenwilligkeit, die sich durchaus mit Ludwig Wittgensteins Denken vergleichen lässt.“ Das Leben von Weil bilde eine Allegorie zur Weltgeschichte.
Simone de Beauvoir studierte mit Simone Weil. Für de Beauvoir, die mit Jean Paul Sartre zu den Begründern des Existenzialismus zählt, war die Existenz der Anderen ein eher störender Wert, das Paar formte eine narzisstische Einkapselung. Die Entwicklung des Feminismus sei ohne de Beauvoir nicht denkbar.
Ganz im Zeichen des Egotismus stehen die Romane von Ayn Rand. Ihre Bücher werden nach der Bibel in den USA am meisten gelesen. Als Prophetin des eigenen Erfolgs beeinflusst sie bis heute Persönlichkeiten wie Donald Trump und Elon Musk.
Aber auch Hannah Arendt habe hellsichtige Analysen in ihrer Zeit getroffen, die noch heute gültig sind, wie etwa im derzeitigen Nahost-Konflikt. BI
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