Das sagen Vorarlberger Seilbahner zur Katastrophe in Italien

In der Vorarlberger Seilbahnbranche herrscht Unverständnis für die Katastrophe in Italien. Gerade der Riss eines Seiles gilt als technisch unmöglich.
Stresa Der Schock sitzt tief. Nach dem schweren Seilbahnunglück in Norditalien hat die Polizei drei Verdächtige festgenommen, die eine Notbremse bewusst blockiert haben sollen. Die Polizei erklärte, Mitarbeiter des Bahnbetreibers Ferrovie del Mottarone hätten eine Klemme angebracht, um Verzögerungen im Bahnbetrieb zu verhindern. Diese Klemme habe verhindert, dass nach dem Abriss des Führungsseils die Notbremse greifen konnte. Es sei jedoch immer noch nicht klar, warum das Führungsseil gerissen sei und ob ein Zusammenhang mit dem Problem der Bremse bestehe.
Nach dem Abriss des Führungsseils am Sonntag raste die Gondel am Tragseil talwärts, stürzte zu Boden und überschlug sich mehrfach in dem steilen Gelände, bevor sie gegen mehrere Bäume prallte. 14 Menschen wurden getötet. Der einzige Überlebende, ein fünf Jahre alter Junge, befindet sich weiterhin im Krankenhaus.
Umfangreiche Wartungsarbeiten
In Italien durften Seilbahnen seit Samstag im Zuge der schrittweisen Lockerungen von Corona-Beschränkungen wieder Ausflügler transportieren. Immer wieder soll es im Vorfeld zu Betriebsunterbrechungen an der Anlage gekommen sein. Die Bremse wurde demnach ohne erkennbaren Grund ausgelöst. „Man wollte die Seilbahn in Betrieb halten, auch als sich das Problem offenbarte“, erklärte ein Kommandant der Carabinieri. So konnten am Sonntag trotzdem Menschen bei bestem Ausflugswetter auf den Monte Mottarone transportiert werden, der für seinen Blick auf den Lago Maggiore und das Bergpanorama bekannt ist.
Das Südtiroler Unternehmen Leitner, welches die Bahn technisch betreut, hatte in den letzten Monaten umfangreiche Kontroll- und Wartungsarbeiten durchgeführt. Zuletzt wurden am 3. Mai sämtliche hydraulischen Bremsanlagen geprüft, damit auch jene des Tragseils, wie Leitner auf VN-Anfrage bestätigt. Zu Mutmaßungen, etwa im Zusammenhang mit der Deaktivierung der Bremse durch Mitarbeiter des Bahnbetreibers, wolle man sich aus Respekt vor den Opfern und Angehörigen nicht äußern.
Unglück erschüttert Seilbahner
Das Drama am Lago Maggiore erschüttert auch die heimische Seilbahnbranche. Die Betroffenheit ist groß. Gleichzeitig verweisen die Betreiber in Vorarlberg auf ein engmaschiges Sicherheitsnetz und hohe Standards bei Anlagen und Mitarbeitern. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas in Österreich passieren könnte“, meint etwa Seilbahnpionier Michael Manhart von den Skiliften Lech. Seilbahnsprecher Andreas Gapp hebt die qualifizierten Mitarbeiter hervor. „Sicherheit steht einfach immer an oberster Stelle“, sagt der Geschäftsführer der Kleinwalsertaler Bergbahnen. Auch seitens des zuständigen Ministeriums in Wien, dem Kabinett von Leonore Gewessler, heißt es auf Anfrage der VN, Österreich verfüge über ein sehr strenges, gesetzlich vorgeschriebenes Kontrollsystem für Seilbahnen. „Zudem ist das gesamte Betriebspersonal sehr gut ausgebildet, um die höchste Sicherheit zu garantieren“.
Noch sind nach dem Drama viele Fragen offen. Vor allem jene nach der Ursache des gerissenen Seils. Untersuchungen laufen, für heute Donnerstag wurde ein Gutachter erwartet. Es gelte jetzt, die Ermittlungen abzuwarten und mögliche Schlüsse daraus zu ziehen, so Vorarlbergs Seilbahner weiter.
“Null Verständnis”

“Die Sache ist natürlich eine Katastrophe. So etwas dürfte nicht vorkommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas in Österreich vorkommt. In Stresa am Lago Maggiore kamen scheinbar mehrere Probleme zusammen: Das Zugseil scheint am Vergusskegel am Laufwerk der Kabine gerissen zu sein, das ist eine schwer zu kontrollierende Muffenverbindung am Ankerpunkt des Seils an der Seilbahnkabine. Zudem wurde noch die Fangbremse blockiert. Ich habe null Verständnis, wer auch immer das veranlasst hat. Moderne Bahnen funktionieren inzwischen ohne Vergusskegel zur Befestigung des Zugseils am Kabinenlaufwerk, so beispielsweise die Seilbahn Lech-Oberlech der Vorarlberger Firma Steurer.“ Michael Manhart, Skilifte Lech
“Sicherheit an oberster Stelle”

Vorarlberg Live
“Ich bin die letzten Tage oft gefragt worden, wie ich das Unglück sehe. Wir haben, wie überall anders auch, ein sehr engmaschiges Sicherheitsnetz. Essenziell ist aber, wir haben auch langjährige und bestausgebildete Mitarbeiter, die sich mit der Materie auskennen und die Vorgaben verantwortungsvoll umsetzen. Sicherheit steht einfach immer an oberster Stelle.” Andreas Gapp, Kleinwalsertal Bergbahnen und Obmann der Fachgruppe Vorarlberger Seilbahnen
“Seilrisse technisch unmöglich”

“Unsere Bahn hat, wie auch die Unglücksbahn in Italien, eine Tragseilbremse. Diese ist aber grundsätzlich meines Wissens nicht vorgeschrieben, da ein Seilriss eigentlich als technisch unmöglich gilt. Dafür sorgen die ständigen Kontrollen und Überprüfungen. Wir müssen daher nun die Ermittlungen abwarten, warum es nun trotzdem geschehen konnte.” Fidel Meusburger, Seilbahn Bezau
“Schlicht und einfach furchtbar”

“Es ist schlicht und einfach furchtbar, was passiert ist. An erster Stelle stehen nun natürlich die leidenden Angehörigen und das arme Kind. Dann muss man sich aber anschauen, was hier schiefgegangen ist und – falls es technisches Versagen war – welche europäischen Vorschriften geändert werden müssen. Wir haben bei der Erneuerung 1994 auf die Tragseilbremse verzichtet, da sie für unsere Form der Seilbahn eine überholte Technik darstellt. Die Fangbremse stellt nicht zuletzt auch eine starke Belastung für die Seile dar, da sie einer Vollbremsung bei gleichzeitig weiterlaufendem Motor gleichkommt. Aufgrund der Prüfungssystematik und -dichte ist es technisch undenkbar, dass es zu einem Seilriss kommt.” Thomas Kinz, Pfänderbahn
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