Das Leben mit Wölfen muss geübt werden

Vorarlberg / 25.06.2021 • 05:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Das Leben mit Wölfen muss geübt werden
Diese Schafe auf 1900 Meter Seehöhe in Schröcken sind schwer zu schützen. Eine Behirtung mit Hunden ist die einzige Möglichkeit. VN/LERCH

Es helfen nur Herdenschutzmaßnahmen. Auf Exkursion mit Experten in Schröcken.

Schröcken “Jetzt geht’s erst richtig los, und es wird wohl sehr emotional”, sagt Christian Pichler (42), Wolfexperte des World Wildlife Fund (WWF) in Österreich, während er von einer Anhöhe aus auf den gegenüberliegenden Bergrücken der Höfermahd bei Schröcken schaut, wo hoch oben auf rund 1900 Metern eine Herde Schafe friedlich grast.

Pichler ist überzeugt davon, dass schon diesen Sommer vermehrt Wölfe die Alpen aufsuchen werden und es zu Übergriffen, sprich Schafsrissen kommt. “Auf vielen Alpen sind die Wölfe schon da, während man die Schafe erst hinauftreibt.”

In weniger unwegsamem Gelände sind Schutzzäune eine gute Möglichkeit, Wölfe von einer Mahlzeit abzuhalten. <span class="copyright">WWF Österreich</span>
In weniger unwegsamem Gelände sind Schutzzäune eine gute Möglichkeit, Wölfe von einer Mahlzeit abzuhalten. WWF Österreich

Lernen, mit dem Wolf zu leben

In Schröcken hat auch Herbert Strolz (59) seine 40 Schafe. Der Schäfer bricht ob des zu erwartenden Auftretens von Meister Isegrim in der Region alles andere als in Jubel aus. Mit Pichler ist er sich jedoch einig. “Wir können den Wolf nicht aufhalten. Wir können aber Herdenschutzmaßnahmen setzen, um große Schäden zu verhindern. Wir müssen lernen, mit dem Wolf zu leben.”

Wir können den Wolf nicht aufhalten. Wir können aber Maßnahmen setzen, um große Schäden zu verhindern.”

Herbert Strolz, Schäfer
Herdenschutzhunde wachen mit Argusaugen über ihre Schafherden. Doch ganz unproblematisch sind die Hunde nicht. <span class="copyright">WWF Österreich</span>
Herdenschutzhunde wachen mit Argusaugen über ihre Schafherden. Doch ganz unproblematisch sind die Hunde nicht. WWF Österreich

Auf der Höfermahd wird es schwierig, den Beutegreifer abzuwehren. Das steile Gelände taugt nicht für eine wirkungsvolle Umzäunung. Bleiben Herdenschutzhund und Hirten, die sich der Aufgabe stellen. Aber auch das geht dort nicht permanent.

Die Schweiz als Vorbild

Hirten, Hunde und Zäune sind grundsätzlich jedoch die effektivsten Maßnahmen gegen Wölfe. “Der Wolf reagiert auch auf Veränderungen”, weiß Pichler. “Wenn er mit Hindernissen Bekanntschaft macht und damit schon unangenehme Erfahrung gemacht hat, lässt er gerne von Herden ab.”

Herbert Strolz zeigt auf die Schafe auf der Höfermahd. Ihm ist bewusst, dass es effektive Maßnahmen gegen den Wolf braucht. <span class="copyright">VN/Lerch</span>
Herbert Strolz zeigt auf die Schafe auf der Höfermahd. Ihm ist bewusst, dass es effektive Maßnahmen gegen den Wolf braucht. VN/Lerch

Als Herbert Strolz 2014 erstmals Risse in seiner Herde verkraften musste, reiste er in die Schweiz. Man kann von den Schweizern nur lernen”, ist Strolz sicher und appelliert einmal mehr an die Politik, Schutzmaßnahmen zu finanzieren.

Wolf streng geschützt

“Wir hinken mit Herdenschutzmaßnahmen hinterher”, sagt auch Christian Pichler. Er würde sich wünschen, dass die Rückkehr der Wölfe in Österreich endlich akzeptiert würde und sich die Maßnahmen auf den Herdenschutz konzentrieren, statt behördliche Abschussgenehmigungen einzufordern. “Der Wolf ist geschützt, und das bleibt so. Die Behörden müssen sich an die Gesetze halten. Entnahmen sind nur in dokumentierten Fällen bei Problemwölfen möglich”, macht Pichler deutlich.

Christian Pichler ist der Wolfexperte beim World Wildlife Fund Österreich. Er weiß, dass bald viel mehr Wölfe nach Österreich kommen werden. <span class="copyright">VN/Lerch</span>
Christian Pichler ist der Wolfexperte beim World Wildlife Fund Österreich. Er weiß, dass bald viel mehr Wölfe nach Österreich kommen werden. VN/Lerch

Ihm ist die Problematik mit der Landwirtschaft bewusst. “Die Wölfe werden mehr. Es wird nicht einfach. Darüber muss man sich keine Illusionen machen. Aber es nützt nichts, Dinge zu fordern, die sich nicht umsetzen lassen.”

Die Panik vor Rudelbildungen teilt Pichler nicht. “Ein Rudel garantiert Stabilität und holt sich in der Regel Wild statt Schafen. Sprengt man die Gruppe, steigt die Gefahr, dass einzelne Wölfe, auf sich allein gestellt, Schafe reißen.”