Bagatellisierte Gewalt

Frauenrechtsforscherin Sabine Mandl ortet individuelle, aber auch strukturelle Gründe für Gewalt an Frauen.
Feldkirch Frauenmorde sind nur die Spitze des Eisbergs. Und doch sind die Zahlen dramatisch. Alleine in diesem Jahr wurden in Österreich 14 Frauen – mutmaßlich – von einem (Ex-)Partner ermordet. Mit den Ursachen solcher Gewaltübergriffe beschäftigt sich die Politologin Sabine Mandl, die seit über 20 Jahren am Wiener Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte forscht. Sie ortet individuelle, aber auch strukturelle Gründe für Gewalt. Konservativ geprägte Rollenbilder, wie sie in Österreich noch vorherrschen, begünstigten diese. Die Politologin war am Dienstag zu Gast bei der Fachveranstaltung „Weil es Zeit ist“, die das Fraueninformationszentrum femail im Montforthaus in Feldkirch organisierte.
Die Ursachen für Gewaltübergriffe gegen Frauen sind vielschichtig, sagt sie. Individuelle Aspekte müssten berücksichtigt werden. Oft sei aber die strukturelle Ebene der Nährboden für Gewalt. „In Österreich gibt es noch immer eine Machtungleichheit zwischen Männer und Frauen, die sich durch viele gesellschaftliche Bereiche zieht.“ Dies äußere sich zum Beispiel in Nachteilen beim Einkommen oder der Karriere. „Die Diskriminierung von Frauen fördert Risiken, die zu Gewalt führen“, sagt die Expertin. Weitere Risikofaktoren: Gewalterlebnisse in der Kindheit und ein Aufwachsen in einem lieblosen Umfeld.
Mandl warnt davor, die Rolle von psychischer Gewalt zu unterschätzen. Über 40 Prozent aller Frauen waren oder sind davon betroffen, auch in Vorarlberg. Psychische Gewalt sei vielfach die Vorstufe sexualisierter oder physischer Gewalt.
Präventionsmanahmen
Mehr Augenmerk brauche es für die Prävention. Österreich war 1997 zwar das erste Land in Europa, das ein Gewaltschutzgesetz erlassen hat und ratifizierte 2013 die Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen, trotzdem fehle es an Sensibilisierung, sagt Mandl. „Viele bagatellisieren Gewalt an Frauen noch. 2016 stimmte etwa im Eurobarometer noch ein Viertel der Befragten der Aussage zu, dass von Gewalt betroffene Frauen diese selbst provoziert haben“, sagt die Forscherin. Es fehle an einer dauerhaften Finanzierung von Sensibilisierungsmaßnahmen. „Es wäre Aufgabe der Regierung solche strukturell zu verankern.“ Das im Jänner in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz verpflichtet Gefährder zwar zu sechs Stunden Beratung im Gewaltpräventionszentrum. Aber: „Diese Gewaltpräventionszentren gibt es bis heute nicht.“ Es brauche zudem eine engmaschigere Kontrolle bei Risikofällen. „Und es müsste im Zweifelsfall öfter eine Untersuchungshaft ausgesprochen werden.“ VN-MIH
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