Echte Härte
Die Tötung der 13-jährigen Leonie lässt niemanden kalt. Sie löst vielmehr eine Mischung aus Wut und Anteilnahme aus: Ehe ihr am vergangenen Wochenende das Leben genommen und ihr Leichnam auf einer Grünfläche in Wien-Donaustadt abgelegt wurde, war sie mehrfach missbraucht worden. Davon geht die Polizei nach aktuellem Ermittlungsstand aus. Unter Tatverdacht: junge Männer afghanischer Staatsbürgerschaft, die als Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind. Die Untersuchungen laufen noch. Diejenigen, die letzten Endes schuldig gesprochen werden, mögen angemessen bestraft werden. Doch das ist Aufgabe der Justiz. Und das ist gut so.
Unabhängig davon ist eine Grundsatzdebatte nötig: Seit einer gefühlten Ewigkeit nehmen Politiker solche Fälle zum Anlass, Verschärfungen im Asyl- und Fremdenwesen anzukündigen. Trotzdem werden in derselben Regelmäßigkeit Missstände offenkundig: Verfahren dauern jahrelang, es gibt Lücken, Abschlüsse lassen auf sich warten. Auch jetzt war einem der Tatverdächtigen nach mehreren Verurteilungen in anderen Zusammenhängen bereits subsidiärer Schutz aberkannt worden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte es jedoch bei weitem nicht geschafft, in angemessener Zeit über eine Beschwerde zu entscheiden. Also durfte der Mann bleiben.
Es ist keineswegs zynisch, festzuhalten, dass das System nur in einer Hinsicht funktioniert: Dann nämlich, wenn es darum geht, Menschen wie Schwerkriminelle in Nacht-und-Nebel-Aktionen abzuschieben, die zwar nicht anerkannte Flüchtlinge, aber gut integriert sind; deren Kinder hier aufgewachsen und sozialisiert sind.
Missstände vernachlässigt
Genau genommen führt aber auch das zum großen Problem. These: So sehr Politiker laufend Verschärfungen fordern, ja Härte und bisweilen auch Bösartigkeiten gegenüber Asylwerbern signalisieren, so sehr haben sie die Qualität von Gesetzen und Verfahren ebenso vernachlässigt wie die Abstimmung zwischen den Behörden. Ergebnis: Endlosgeschichten, die dadurch zustande kommen, dass Anfechtungen gegen Entscheidungen überforderter Beamter nicht nur Zeit bringen, sondern auch beträchtliche Erfolgsaussichten haben. Oder: 2019 musste der Rechnungshof, der eher aufs Geld schaut, kommen, um darauf hinzuweisen, dass Informationen über die Entlassung inhaftierter Fremder nicht lückenlos an das zuständige Bundesamt weitergegeben werden. Das war ein absolutes Sicherheitsrisiko.
„Es ist keineswegs zynisch, festzuhalten, dass das System nur bei der Abschiebung gut integrierter Menschen funktioniert.“
All das relativiert kein Verbrechen. Konsequente Politik würde sich aber nicht nur darauf beschränken, sich betroffen zu zeigen und immer wieder die gleichen Ankündigungen zu tätigen. Sie würde sich vielmehr auch um die Beseitigung solcher Missstände kümmern, damit ordentliche, rechtsstaatliche und möglichst sichere Verhältnisse gewährleistet werden.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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