Gleichstellung stolpert dahin
Neubewertung der Arbeit als vordringlichstes Ziel.
Bregenz Ernüchternd: Auf diesen kurzen Nenner lässt sich das Ergebnis des aktuellen Gleichstellungsberichts bringen. Diese Einschätzung teilten bei der Präsentation am Freitag auch Landesrätin Katharina Wiesflecker und die ÖGB-Landesvorsitzende Manuela Auer. Noch immer verdienen Frauen viel weniger als Männer, leisten Frauen den Großteil der Sorgearbeit, sind Frauen vorwiegend in Niedriglohnjobs und da in wenig einträglicher Teilzeit beschäftigt.
Besorgter Blick in die Zukunft
Die einzige Revolution in der Gleichstellung fand im Bildungsbereich statt. Höhere Bildung ist inzwischen überwiegend weiblich. Das „aber“ von Studienautorin Sabine Juffinger folgte jedoch auf dem Fuß: Bei der Berufswahl dominieren ebenfalls immer noch die Klassiker, nämlich Einzelhandelskauffrau, Friseurin und Bürokauffrau. Kleiner Lichtblick: An vierter Stelle kommt schon der Metallbereich.
Dennoch stehen viele Frauen im Alter mit einem Fuß in der Armut. Entsprechend besorgt ist der Blick in die Zukunft, wie eine Umfrage im Herbst 2020 mit 514 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ergab. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) geht davon aus, dass ihre Pension nicht reichen wird, um gut durch die letzte Lebenshälfte zu kommen. Das betrifft alle Einkommensgruppen. Um eine Verbesserung der Situation zu erreichen, gilt es laut Katharina Wiesflecker, an mehreren Hebeln anzusetzen: „Das geht von der Berufswahl über eine gut ausgebaute Kinderbetreuung bis hin zu mehr Vollbeschäftigung.“ Auch im verpflichtenden Pensionssplitting sieht sie einen wesentlichen Baustein.
Als besonders wichtig empfindet Wiesflecker eine Neubewertung der Arbeit, insbesondere in Pflege- und pädagogischen Berufen. Sabine Juffinger formulierte es deutlicher: „Vorarlberg hat europaweit die höchsten Einkommensunterschiede.“ Das hohe Verdienstgefälle, das bei unselbständig Erwerbstätigen fast 48 Prozent beträgt, zeitigt noch eine andere, aber kaum registrierte Folge, denn ein hohes Einkommen des Mannes und ein niedriges der Frau führt zu einem geringeren Haushaltseinkommen.
Forderung nach Mindestlohn
Die Erwerbstätigenquote von Frauen ist in den vergangenen 20 Jahren zwar gestiegen und betrug 2019 immerhin 71,6 Prozent (Österreichschnitt 69,2 Prozent). Allerdings hat Vorarlberg mit 51,5 Prozent den bundesweit höchsten Anteil an Teilzeitbeschäftigungen. Zum Vergleich: 2019 arbeiteten 46.000 Frauen in Vorarlberg in Vollzeit, und 48.100 in Teilzeit. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Teilzeit oft nur aus wenigen Wochenstunden besteht.
Der Mängel gäbe es noch viele aufzulisten, Einigkeit herrschte aber zumindest darin, dass es in fast allen Bereichen enormen Handlungsbedarf gibt. Manuela Auer erneuerte unter anderem ihre Forderungen nach einem Mindestlohn von 1700 Euro sowie einem Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz für jedes Kind ab dem ersten Geburtstag. AK-Vizepräsidentin Jessica Lutz verwies auf die hohe Anzahl von Schließtagen in den Kinderbetreuungseinrichtungen, die dringend geändert gehöre. Für Katharina Wiesflecker ist Bewusstseinsbildung auf allen Ebenen vonnöten. Juffinger fasste zusammen: „Es braucht viel Kraft in der Politik, um hier weiterzugehen und eine Existenzsicherung für alle zu erreichen.“ VN-MM
„Es ist Bewusstseinsbildung auf allen Ebenen nötig, um hier weiterzukommen.“
Fakten
6581 Frauen waren 2020 arbeitslos gemeldet, das entspricht einer Zunahme um 47 Prozent im Vergleich zu 2019.
19.648 Euro weniger im Jahr verdienen unselbständig erwerbstätige Frauen als unselbständig erwerbstätige Männer.
33 Prozent von 514 Befragten gaben an, dass ihr Haushaltseinkommen gerade so ausreicht.
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