Über fehlende Angst der Politik vor dem Volk

Politikwissenschafter Gärtner sieht Vorteile in der Unberechenbarkeit des Volkes.
Andelsbuch Der Kulturverein Andelsbuch lud am Donnerstag zu einer Podiumsdiskussion über die direkte Demokratie in Vorarlberg, Österreich und der Schweiz. Auf dem Podium saß auch der Innsbrucker Politikwissenschaftler Reinhold Gärtner. Im VN-Gespräch erklärt er, weshalb die Schweiz in der Demokratie viel weiter ist.
Was unterscheidet Österreich und die Schweiz?
Die letzten 170 Jahre sind in der Schweiz ganz anders verlaufen. Die Schweiz hatte den Sonderbundskrieg 1847, Österreich seitdem eine Monarchie, zwei Weltkriege, zwei Diktaturen. Die Demokratie, auch die direkte, hatte in der Schweiz viel mehr Zeit zu wachsen. Wir müssen sehr viel nachholen.
Haben in Österreich die Mächtigen Angst vor dem Volk?
Es wäre wichtig, dass die Angst ein bisschen zunimmt. Sehr lange Zeit haben sich die Parteien auf ihre Stammwähler und die politischen Lager verlassen können. Das ist aufgebrochen. Je unberechenbarer die Menschen werden, desto mehr müssen sich die Herrschenden um die Menschen kümmern. In diesem Sinne ist Unberechenbarkeit ein Vorteil für den Bürger.
Ist die Politik froh, dass ein Volksabstimmungsrecht gekippt wurde?
Wenn ich mir das historisch ansehe, gebe ich dem sofort recht. Im Zielparagraf von 1962 steht, dass die Jugend als treue Bürger des Staates erzogen werden soll. Möglichst wenig hinterfragen, möglichst tun, was oben gesagt wird. Die Parteien hatten lange Zeit ein Interesse daran, den Bürger unmündig zu halten. Auch das ändert sich. Es ist ein Prozess. Junge Menschen sollen schon sehr früh politisch sozialisiert werden, damit man nicht alles von oben nachbetet, sondern Kritik übt. Das wurde lange Zeit bewusst sehr niedrig gehalten.
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