Kontrollverlust
Die von der Gemeindevertretung von Lech einstimmig beschlossene Bausperre für Investorenmodelle hat österreichweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Von drohendem Kontrollverlust war seitens der Gemeinde die Rede, womit ein treffender Begriff verwendet wurde.
Tatsächlich stellt sich für Menschen, die mit offenen Augen durch die Täler unseres Landes fahren, in der letzten Zeit nicht nur in Lech häufig die Frage, ob die Geschehnisse wirklich noch unter Kontrolle sind.
„Menschen, die sich zwei Wohnungen leisten können, arbeiten verstärkt an beiden Orten.“
In vielen Tourismusorten entstehen neue, große Wohnanlagen, manche wenigstens architektonisch einigermaßen gelungen, viele nicht einmal das. Alle vermitteln den Eindruck einer gewissen Leblosigkeit. Den Wohnbedarf der einheimischen Bevölkerung befriedigen sie jedenfalls nicht. Sie sind Wertanlagen, Investorenobjekte und werden zu gewissen Zeiten für die touristische Nutzung frequentiert. In der Zwischenzeit stehen sie leer. Dass die Gemeindevertretung von Lech dieser Entwicklung gegensteuern will, die die Struktur der herkömmlichen Familienbetriebe gefährdet, zeichnet sie aus.
Die Bausperre von Lech verschafft allerdings nur etwas Luft, sie kann nämlich nicht länger als zwei Jahre befristet erlassen werden. Danach müssen das Land als Gesetzgeber und die Gemeinde eine Lösung gefunden haben.
In den Medien mehren sich Stimmen, dass die Gemeinden mit der Raumplanung überfordert sind. Es wird eine Übertragung dieser Aufgabe nach „oben“, also mindestens auf die Landesebene, gefordert. Es wäre jedoch der falsche Weg, den Gemeinden die Planungshoheit, wie sie ihren eigenen Raum gestalten, zu entziehen. Diese Aufgabe ist ihnen auch durch die Bundesverfassung zugewiesen. Aber man wird wohl die gesetzlichen Vorgaben verschärfen und Instrumente vorsehen müssen, die Umgehungskonstruktionen verunmöglichen.
Allerdings sollte der Gesetzgeber auf eine weitere Entwicklung achten: Die modernen Entwicklungen lassen die Unterscheidung zwischen Haupt- und Ferienwohnsitz zunehmend verschwimmen. Menschen, die sich zwei Wohnungen leisten können, arbeiten verstärkt an beiden Orten. Die Digitalisierung bringt es mit sich, dass immer mehr Arbeiten von zu Hause, welcher Ort das auch immer ist, verrichtet werden können, die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung noch beschleunigt. Die klassische Ferienwohnung hat vielfach ausgedient und wird nun für die Arbeit in entspannter Umgebung verwendet. Dies wiederum erhöht den Flächenverbrauch, gerade in den Berggebieten.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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