Grüne schwenken bei Initiativrecht um

Vorarlberg / 15.07.2021 • 18:45 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Direkte Demokratie: Parlamentsklub sagt Gemeinden Unterstützung zu. Verfassungsdienst kritisch.

Wien Nun liegt es an der ÖVP, die direkte Demokratie auf Gemeindeebene zu retten. Alle anderen Fraktionen im National- und Bundesrat sprechen sich inzwischen für eine Verfassungsänderung aus, die den Gemeindebürgern das Recht zurückgibt, auch gegen den Willen der Gemeindevertretung eine Volksabstimmung initiieren zu können (Initiativrecht). Während Ende des vergangenen Jahres nur die Oppositionsparteien im National- und Bundesrat einem entsprechenden Entschließungsantrag zugestimmt haben, sind nun auch die Grünen mit an Bord, wie Bundesrat Adi Gross den VN mitteilt. In einem Brief an die Gemeinden beteuern er und die Grüne Nationalratsabgeordnete Agnes Sirkka Prammer, das Anliegen zu unterstützen. Laut Verfassungsdienst wäre dafür neben einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat – die von der ÖVP abhängt – aber auch eine bundesweite Volksabstimmung nötig.

Über 30 Vorarlberger Kommunen haben sich laut Gross mit einer Resolution an den National- und Bundesrat gerichtet und eine Verfassungsänderung gefordert, sodass Gemeindebürger wieder ein Initiativrecht für Volksabstimmungen erhalten. Der Verfassungsgerichtshof kippte diese Möglichkeit infolge einer Beschwerde gegen den Volksentscheid in Ludesch zur Bebauung der Landesgrünzone. Direkte Demokratie könne die repräsentative Demokratie nicht ersetzen sondern nur ergänzen, begründete VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter in einem VN-Interview die Entscheidung, die mit Ende des Jahres in Kraft treten wird.

Wenig Erfolgsaussichten

In Folge des Erkenntnisses des Höchstgerichts forderte die Landesregierung die Bundesregierung auf, die Stärkung direktdemokratischer Elemente noch einmal zu prüfen, ebenso eine Verfassungsänderung, um Volksabstimmungen auf Initiative der Gemeindebürger wieder zu ermöglichen. Kanzleramts- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sieht das Ansinnen zwar kritisch, ließ es aber vom Verfassungsdienst prüfen: „Wenn ich einen Volksvertreter wähle, muss ich ihm auch die Möglichkeit geben zu entscheiden und sollte ihn nicht durch einen Volksentscheid binden.“

Initiativrecht nur mit Abstimmung

Auch der Verfassungsdienst räumt den Vorarlberger Wünschen wenig Erfolgsaussichten ein. Dieser teilt der Landesregierung mit, dass die von ihr angeregte Verfassungsänderung nur mit einer Gesamtänderung der Bundesverfassung möglich wäre. „Danach ist jede Gesamtänderung der Bundesverfassung einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen.“ Das Schreiben liegt den VN vor.

Um überhaupt zu einer Verfassungsänderung zu kommen, ist eine Zweidrittel-Mehrheit im Nationalrat erforderlich. Ohne der ÖVP, die 71 der 183 Abgeordneten zählt, gibt es sie nicht. Adi Gross fordert daher von den Mitgliedern der Vorarlberger Volkspartei, den Druck auf die Bundestürkisen zu erhöhen: „Es bräuchte wesentlich mehr Willen, insbesondere von Landeshauptmann Markus Wallner.“ Gross wundert sich: Die Bundespartei verstecke sich hinter der repräsentativen Demokratie, obwohl so viele ÖVP-Gemeinden die Resolution für mehr direkte Demokratie unterzeichnet hätten. Jedenfalls wolle man den Koalitionspartner von einer Verfassungsänderung überzeugen, schreiben er und seine Nationalratskollegin im Brief an die Gemeinden. „Es braucht eine Rechtsgrundlage auf Bundesebene, die der langen Tradition gelebter direkter Demokratie in Vorarlberg Rechnung trägt.“ VN-ebi

„Es bräuchte wesentlich mehr Willen, besonders von Landeshauptmann Markus Wallner.“