Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Punktesystem

Vorarlberg / 15.07.2021 • 18:16 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Nach der Abschiebung einer georgischen Familie war – wieder einmal – eine Kommission unter dem Vorsitz der ehemaligen Politikerin und Höchstrichterin Irmgard Griss eingesetzt worden, die untersuchen sollte, ob den Kinderrechten im Asylverfahren ausreichend Beachtung geschenkt wird. Das Ergebnis ist durchwachsen: Es gibt zu wenig spezialisierte Richter:innen, kaum gesetzliche Regelungen, welche die Beachtung des Kindeswohls ausdrücklich vorschreiben und zu wenig Rechtsberatung. Außerdem fordert die Kommission ein Monitoring, also die Beobachtung und Auswertung der laufenden Entwicklung bei der Praxis der Asylgewährung und Abschiebung von Kindern.

Abgesehen von diesem eher entbehrlichen Monitoring, das nur wieder Verwaltungsaufwand produzieren wird, liest sich der Bericht, was die Asylverfahren betrifft, recht vernünftig. Er weist auch auf den problematischen Umstand hin, dass die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen der Länder bei unbegleiteten Minderjährigen unterschiedlich vorgehen. Das ist allerdings auch einer ziemlich unklaren Rechtslage zu verdanken.

In Tirol geht man davon aus, dass unbegleitete Minderjährige den „Findelkindern“ gleichzustellen sind, für die von Gesetzes wegen das Jugendamt die Obsorge übernimmt. In anderen Bundesländern muss die Übernahme der Vertretung dieser Kinder und Jugendlichen vom Jugendamt erst bei Gericht beantragt werden. Eine solche Gleichstellung mit den „Findelkindern“, die durch eine einfache Regelung im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch vorgenommen werden kann, wäre sicherlich angebracht und eine unbürokratische Lösung, die für die Jugendämter allerdings auch aufwändiger ist.

Aber zurück zum Asylverfahren: Der Bericht bemängelt, dass im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Punktesystem herrscht: Die Mitarbeiter:innen sollten pro Woche vier Punkte erzielen. Ein positiver Asylbescheid ergibt 0,6 Punkte, ein negativer hingegen einen Punkt. Die Aufregung über dieses System, das angeblich einen Anreiz, einen negativen Asylbescheid zu erlassen, in sich birgt, ist beträchtlich. Allerdings bedeutet ein negativer Bescheid für die Person, die ihn erarbeitet, in der Regel einen deutlich höheren Aufwand. Denn die Entscheidung soll ja der Kontrolle im Instanzenzug standhalten, während ein positiver Bescheid nicht angefochten wird. Außerdem muss die Behörde den angefochtenen Bescheid in der Folge vor dem Bundesverwaltungsgericht verteidigen. Es mag feinere Methoden der Leistungsbeurteilung geben, aber Skandal ist es keiner.

„Die Aufregung über dieses System, das angeblich einen Anreiz, einen negativen Asylbescheid zu erlassen, in sich birgt, ist beträchtlich.“

Peter Bussjäger

peter.bussjaeger@vn.at

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.