VN-Sommergespräch: Wallner sieht wenig Chance auf Demokratienovelle

Vorarlberg / 16.07.2021 • 05:30 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
VN-Sommergespräch: Wallner sieht wenig Chance auf Demokratienovelle
Markus Wallner im VN-Sommergespräch mit Gerold Riedmann und Michael Prock. VN/PAULITSCH

Landeshauptmann Wallner misst dem Arlberg höhere Priorität zu als der Unterflurtrasse in Bregenz. Eine Verfassungsänderung zur direkten Demokratie sieht er nicht kommen.

Bregenz Budgetloch, Arbeitslosigkeit, Soziales; das Land steht vor der Aufgabe, die Auswirkungen der Pandemie in den Griff zu bekommen. Im VN-Sommergespräch erläutert Landeshauptmann Markus Wallner diese großen Herausforderungen und spricht über den Arlbergpass und direkte Demokratie.

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Sie haben angekündigt, aufgrund der Pandemie das Regierungsprogramm überarbeiten zu wollen. Welche Punkte denn genau?

Wallner Wir haben einen 200 Millionen Euro Riss im Budget, kämpfen mit schweren Rückschlägen auf dem Arbeitsmarkt und Fragen der Gesundheit sind aufgetaucht. Es gibt aber auch Positives wie den großen Schub in der Digitalisierung. Ich glaube, dass wir einen Schwerpunkt bei der Standortentwicklung brauchen. Wir müssen schauen, wie wir die Kraft der Wirtschaft stärken und wieder an die Vollbeschäftigung rankommen. Es braucht Initiativen im Bereich der Forschung und neue Kooperationen im Bodenseeraum. Zwei Entwicklungen sind uns in der Pandemie besonders aufgefallen: Der Wert der Familie und der Wert der Schule sind gestiegen. Diese Aspekte sollten wir aufnehmen.

Welche Punkte sind mit den Grünen noch nicht ausdiskutiert?

Wallner Uns ist es ein Anliegen, dass wir beim Klimaschutz den Dialog mit der Wirtschaft suchen. Man kann Klimaschutz nicht gegen die Wirtschaft betreiben, da sind wir uns mit den Grünen einig. Wir müssen im Herbst definieren, was wir mit Ausbau der Wasserkraft meinen und wo die Fotovoltaik hingeht. Das Thema Wasserstoff ist nahezu unbearbeitet im Land. Das sollten wir nicht links liegen lassen. Es bleiben aber Dinge übrig, die gelöst werden müssen, wie die großen Infrastrukturprojekte im Land …

… das ist die Verklausulierung der S18.

Wallner Nicht nur. Es geht auch um die Frage, wie es in Feldkirch weitergeht. Da haben wir die größten Turbulenzen überstanden. Auch Rhesi ist ein Thema, da wird sich der Naturschutz einbringen müssen. Der Staatsvertrag muss im kommenden Jahr abgeschlossen werden. Er liegt fix und fertig in Bern und in Wien. Da muss die Bundesebene aufs Gas steigen.

„Der Staatsvertrag muss im kommenden Jahr abgeschlossen werden. Er liegt fix und fertig in Bern und in Wien. Da muss die Bundesebene aufs Gas steigen.“ VN/Paulitsch
„Der Staatsvertrag muss im kommenden Jahr abgeschlossen werden. Er liegt fix und fertig in Bern und in Wien. Da muss die Bundesebene aufs Gas steigen.“ VN/Paulitsch
„Das Thema Wasserstoff ist nahezu unbearbeitet im Land. Das sollten wir nicht links liegen lassen.“ VN/Paulitsch
„Das Thema Wasserstoff ist nahezu unbearbeitet im Land. Das sollten wir nicht links liegen lassen.“ VN/Paulitsch
„Der Wert der Familie und der Wert der Schule sind gestiegen. Diese Aspekte sollten wir aufnehmen.“ VN/Paulitsch
„Der Wert der Familie und der Wert der Schule sind gestiegen. Diese Aspekte sollten wir aufnehmen.“ VN/Paulitsch

Müssen wir damit rechnen, dass das Budgetloch noch größer wird?

Wallner Der Riss ist tiefer und breiter als wir gedacht haben. Dagegen können wir im Moment nicht allzu viel unternehmen. Es wäre falsch, jetzt nur auf die Sparbremse zu treten. Die Verschuldung wird weiter steigen, aber sie darf nicht ewig ansteigen. Derzeit gibt es gute Bedingungen am Kapitalmarkt. Aber ich habe alle Ressorts gebeten, nicht nur das Budget 2022 zu planen, sondern eine mittelfristige Finanzplanung über den Wahltermin hinaus zu erstellen. Sie sollen sagen, wo investiert und wo konsolidiert wird. Der Riss lässt sich nicht in zwei Jahren kitten. Aber am Ende der Legislaturperiode sollten wir wieder Richtung ausgeglichenem Haushalt kommen.

„Aber am Ende der Legislaturperiode sollten wir wieder Richtung ausgeglichenem Haushalt kommen.“ VN/Paulitsch
„Aber am Ende der Legislaturperiode sollten wir wieder Richtung ausgeglichenem Haushalt kommen.“ VN/Paulitsch

Vorarlberg möchte im Rahmen der Marke Vorarlberg bis 2035 chancenreichstes Land für Kinder werden. Was hat sich seit 2019 getan?

Wallner Da tut sich einiges. Am stärksten erkennt man es an der Entwicklung des Campus V in Dornbirn. Im Familienbereich haben wir Akzente gesetzt, dann hat die Pandemie den Prozess verlangsamt. Aber mitten in der Krise ist die Markeninitiative aufgetreten und hat Laptops für Kinder organisiert, die es in der Schule nicht so einfach haben.

Bei Kindern geht es nicht nur um Laptops. 8000 Kinder im Land sind armutsgefährdet, 4000 benötigen eine Leistung aus der Sozialhilfe. Was gedenken Sie da zu tun?

Wallner Die Pandemie hat damit begonnen, dass man vor allem die ältere Generation geschützt hat. Es ist deshalb richtig, dass man jetzt genauer bei Kindern und Jugendlichen hinsieht. Die psychosozialen Folgen müssen beachtet werden. Deshalb wird die stationäre und ambulante Hilfe in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ausgebaut. Kinder haben unter Kontaktarmut gelitten, manche haben Bildungsdefizite, manche sind armutsgefährdet. Die Pandemie hat diese Frage noch mehr in den Fokus gerückt, da muss mehr Tempo in die Hilfestellung.

„Deshalb wird die stationäre und ambulante Hilfe in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ausgebaut.“ VN/Paulitsch
„Deshalb wird die stationäre und ambulante Hilfe in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ausgebaut.“ VN/Paulitsch

Derzeit wird wieder über den Bahnausbau diskutiert, allerdings in Bregenz. Spielt der Arlberg derzeit keine Rolle?

Wallner Die ÖBB arbeiten am Rahmenplan für die nächsten Jahre. Das wird spannend. Als Land muss man definieren, welche Projekte man angeht, da gibt es einige Ideen und Wünsche. Unter anderem Bregenz und den Arlberg.

Was ist wichtiger? Eine Unterflurlösung oder ein Arlbergbasistunnel?

Wallner Wenn man sich entscheiden müsste, natürlich der Arlberg. Diese direkte Verbindung hat für den Standort eine riesige Bedeutung.

Wittern Sie eine Möglichkeit?

Wallner Die Arlbergstrecke muss auf die Agenda genommen werden. Die Frage der Sanierung kommt ganz sicher. Da kann man auch eine Neutrassierung anschauen. Ich sehe auch die Unterflurtrasse in Bregenz als etwas, das man diskutieren kann. Aber die ÖBB unterscheiden zwischen Fragen des Städtebaus und Fragen der Standortentwicklung. Der Gesamtstandort steht im Vordergrund. Da ist die Arlbergstrecke natürlich wichtig.

„Aber die ÖBB unterscheiden zwischen Fragen des Städtebaus und Fragen der Standortentwicklung. Der Gesamtstandort steht im Vordergrund. Da ist die Arlbergstrecke natürlich wichtig.“ VN/Paulitsch
„Aber die ÖBB unterscheiden zwischen Fragen des Städtebaus und Fragen der Standortentwicklung. Der Gesamtstandort steht im Vordergrund. Da ist die Arlbergstrecke natürlich wichtig.“ VN/Paulitsch

Der VfGH hat das Initiativrecht für Volksabstimmungen in Gemeinden gekippt. Um es wieder einzuführen, braucht es eine Änderung der Bundesverfassung. Ist das realistisch?

Wallner Der Verfassungsdienst hat gesagt, es braucht eine Gesamtänderung der Bundesverfassung. Das muss ich zur Kenntnis nehmen. Wir bräuchten dafür eine Diskussion in allen Bundesländern. Ich hätte auch keine Freude damit, wenn ein Bundesland oder der Bund einseitig eine Gesamtänderung anstreben würde, um Zentralisierung oder Ähnliches umzusetzen. Wir haben durch die Nähe zur Schweiz die direkte Demokratie etwas stärker verankert. Andere Bundesländer interessiert es weniger. Das kann man anderen nicht aufzwingen. Man könnte anregen, dass im Parlament insgesamt über eine Stärkung der direkten Demokratie nachgedacht wird. Das ist der richtige Platz. Aber ich muss erkennen, dass wir ein Vorarlberger Anliegen haben, das in anderen Bundesländern und im Bund kein großes Interesse auslöst.

Sie sehen also kurzfristig keine Chance, da weiterzukommen?

Wallner Es hieß sogar, dass eine österreichweite Volksabstimmung notwendig ist. Da ist eine fast unüberwindbare Hürde aufgebaut worden, die voraussetzt, dass sich alle neun Bundesländer einig werden.

„Es hieß sogar, dass eine österreichweite Volksabstimmung notwendig ist. Da ist eine fast unüberwindbare Hürde aufgebaut worden, die voraussetzt, dass sich alle neun Bundesländer einig werden.“ VN/Paulitsch
„Es hieß sogar, dass eine österreichweite Volksabstimmung notwendig ist. Da ist eine fast unüberwindbare Hürde aufgebaut worden, die voraussetzt, dass sich alle neun Bundesländer einig werden.“ VN/Paulitsch

Interview: Gerold Riedmann & Michael Prock

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