Trauer zwischen Trümmern

Vorarlberg / 18.07.2021 • 22:35 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Nach der Flutkatastrophe geht es vielerorts ans große Aufräumen.Reuters, AP, APA,
Nach der Flutkatastrophe geht es vielerorts ans große Aufräumen.Reuters, AP, APA,

Das große Aufräumen in den verwüsteten Flutgebieten.

Ahrweiler Schlamm, Schutt und Schmutz überall. Trümmer türmen sich teils meterhoch. Zwischen Autowracks und Möbelresten versuchen Anwohner, ein wenig Ordnung in das Chaos zu bringen. Mit dem Zurückweichen des Wassers wird in den vom Unwetter verwüsteten Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar. Es wird Wochen, Monate dauern, bis allein die sichtbaren Folgen der Katastrophe beseitigt sind.

Allein im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz haben mindestens 110 Menschen bei der Flutkatastrophe ihr Leben verloren. Auch am Sonntag suchten Rettungskräfte in den teils völlig zerstörten Ortschaften nach Opfern – auch mit Hilfe von Luftbildaufnahmen, die vom Hubschrauber aus gemacht wurden. Zu befürchten ist, dass die Zahl der Toten weiter steigt.

Trümmerfeld

Auch das kleine Städtchen Bad Neuenahr-Ahrweiler gleicht einem Trümmerfeld. Bagger heben Autos an, die sich in den Gassen verkeilt haben, vor den Häusern stapeln sich Tische, Stühle und anderer zerstörter Hausrat. Anwohner wie Thomas Bähr schaufeln Schlamm aus ihren Häusern. „Das haben wir gerade erst gekauft“, erzählt der Besitzer eines 300 Jahre alten Hauses.

Peter Geller wohnt direkt an der Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert. In seinem Hof wurde eine Tote angeschwemmt. Erst nach vielen Stunden seien die alarmierten Rettungskräfte gekommen, um die Leiche abzuholen. „Die kommen mit den Toten nicht nach“, berichtet Geller. Anwohner Karl-Heinz Conradt weiß von fünf Bekannten sicher, dass sie tot sind. Das Strom- und Telefonnetz ist auch am Sonntag in vielen Orten noch ausgefallen. Freiliegende Stromleitungen gefährdeten die Menschen, warnt die Polizei. Eine Vielzahl von Straßen sei nicht befahrbar. Angesichts der gewaltigen Zerstörungen und der vielen persönlichen Schicksale weitet das Land Rheinland-Pfalz sein psychosoziales Hilfsangebot aus.

Inmitten der Tragödie scheint es schwer vorstellbar, dass das Leben sich bald wieder normalisiert. „Unsere Dörfer werden nie wieder so sein, wie es war“, sagte etwa Pfarrer Michael Schaefer zu Beginn der Sonntagsmesse im Eifel-Ort Adenau. Glücklicherweise habe man dort keine Toten zu beklagen.

Normalität in weiter Ferne

Auch in Nordrhein-Westfalen scheint eine Rückkehr zur Normalität in weiter Ferne zu liegen. Hier ist das große Aufräumen ebenfalls in vollem Gange. Auf der Bundesstraße 265 liegen am Samstag Autos wie riesiges Strandgut herum, zwischen und unter Lastwagen gedrückt. Die Bundeswehr hilft mit Panzern beim Aufräumen. In der 50.000-Einwohner Stadt Erftstadt seien 6000 Menschen unmittelbar von der Katastrophe betroffen, berichtete Bürgermeistern Carolin Weitzel. Die Infrastruktur der Stadt müsse wieder aufgebaut werden.

In ganz Nordrhein-Westfalen starben nach Stand Sonntagmittag 46 Menschen bei der Flutkatastrophe. Und noch immer suchen viele nach vermissten Angehörigen. Besonders angespannt ist die Lage im Stadtteil Erftstadt-Blessem, wo Fachleute die Abbruchkanten eines Erdrutsches untersuchen. Dort war infolge der Fluten ein riesiger Krater entstanden, mindestens drei Wohnhäuser und ein Teil der historischen Burg stürzten ein.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) geht von einem „Kraftakt auf lange, lange Zeit“ aus, bis der Wiederaufbau in den betroffenen Gebieten bewältigt ist. „Es wird lange dauern, bis die Leute wieder sagen können: Ich erkenne meine Heimat wieder“, sagte sie am Sonntag bei einem Besuch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Adenau. Vorrang habe nun die Suche nach den noch immer Vermissten. „Wir werden nicht ruhen, bis die Menschen, die vermisst werden, gefunden werden“, versprach sie.

„Wir werden nicht ruhen, bis die Menschen, die vermisst werden, gefunden werden.“

Bundeskanzlerin Merkel informierte sich im Katastrophengebiet.
Bundeskanzlerin Merkel informierte sich im Katastrophengebiet.
Welle der Solidarität: Viele Sachspenden für die Opfer.
Welle der Solidarität: Viele Sachspenden für die Opfer.

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