Ich bin aus der Kirche ausgetreten – aber ich glaube!

Vorarlberg / 23.07.2021 • 17:24 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
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So höre ich es immer wieder, gleichsam als kleine Entschuldigung, mir gegenüber, der ich zum „Bodenpersonal des lieben Gottes“ gehöre. Damit wir uns gleich richtig verstehen: Mir fällt es nicht im Traum ein, irgendjemandem seinen „Glauben“ abzusprechen. Denn viel Christliches geschieht durch „Menschen guten Willens“, ohne dass sie ihren Glauben – oder was sie einfach darunter verstehen, wie eine Standarte vor sich hertragen. Und doch: Mich reizt an dieser Aussage (aber ich glaube) etwas sehr. Und so stoße ich nach: Gut, an welchen Gott glaubst du denn? Ich gebe dir hier eine kleine Auswahl:

Der Höchstes-Wesen-Gott

Das ist ein Gott, den es geben muss, als Ergebnis unseres Denkens und unserer Vernunft. Es gibt so vieles in unserer Welt, das nicht „von sich aus“ existiert, sondern „geschaffen“ worden ist. Aber zu diesem Gott hat man keine Beziehung. Es gibt ihn halt. Punkt. Nichts weiter.

Der Mitmenschlichkeits-Gott

Dieser Gott ist immer gefragt (wenn überhaupt). Er ereignet sich im Mitmenschen; er ist zuständig für die Obdachlosen, die Bettler, die Armen, die Unterdrückten, die Flüchtlinge, die an den Rand Geschobenen usw., usw. Und dieser Gott kann für manche Menschen durchaus ein Ansporn sein, nicht nur sozial zu denken, sondern auch danach zu handeln.

Der abwesende Gott

In allen möglichen Krisensituationen, dort, wo wir selber mit unseren Grenzen konfrontiert sind (seien es persönliche Schicksale, Krankheit, Tod, Naturkatastrophen usw.) taucht gelegentlich die Frage nach Gott auf: „Warum lässt er das zu? Wir haben doch….“
Interessanterweise hat noch niemand die Frage nach Gott gestellt, angesichts eines übervollen Kühlschranks (ich hoffe, du verstehst dieses Beispiel).

Der Weihrauch-Gott

Er ist besonders gern zu Gast bei Erstkommunionfeiern, Hochzeiten, Taufen und dort, wo die Erbtante das Zeitliche gesegnet hat. Man sieht ihn dann auch wirklich gerne, auch wenn man sonst keinen Bezug zu ihm hat. Aber wenn er kommt (meist in Gestalt einer „Vertreterin / Vertreters“), dann wird es immer so schön feierlich und dann lassen wir ihn auch hochleben und singen ein schönes, frommes Lied.

Gott

Er hat uns keine „Bilder“ von ihm geschenkt. Er schuf uns Menschen und die ganze Schöpfung und so sind wir selber eben ein Stückweit „Ebenbilder“ Gottes, egal welcher Rasse, Sprache, Hautfarbe, sexueller Orientierung. In vielen kleinen Dingen des Alltags können wir Schöpfer und Erlöser sein und Gott nicht nur selber erahnen, sondern auch erahnen lassen! (Vergebung, Liebe, Solidarität – um nur drei Dinge zu nennen) Wir Menschen brauchen Gott zum Vorbild, damit wir als sein Bild leben können. Deshalb ist auch Gott Mensch geworden, in seinem Sohn Jesus (Jesus heißt auf deutsch: „Gott rettet“). Sein Tun und Leben ist uns Vorbild, so wie wir uns Gott selbst vorstellen und erahnen können. In Jesus wird Gott sichtbar. Der sogenannte „heilige Geist“ (den du in der Firmung bekommen hast) ist jenes „Element“, das uns die Kraft zum Leben, zu Glaube, Hoffnung und Liebe schenkt (und das nicht bloß im „stillen Kämmerlein“). Diese Kraft treibt uns an, diesen unseren Glauben auch öffentlich zu bekennen und durch unser Gut-Sein in Wort und Tat umzusetzen.

Dein Gottesbild?

Manche Zeitgenossen haben sich darüber noch nie Gedanken gemacht. Schade! Gott? Jesus? Egal, was soll’s? Der Jesus? Ach so, wegen seiner Halsstarrigkeit ist er damals am Kreuz gelandet! Reine Erfindung! Heiliger Geist? Ich lache! Erinnert mich zwar an die Firmung. Und trotzdem: Immer wieder kommen Menschen zusammen, um miteinander diesen „Gott des Lebens“ zu feiern und dadurch ihr eigenes Leben zu feiern, trotz aller Höhen und Tiefen, die das Leben mit sich bringt. Diese brauchen einander auf dem Weg durch die Zeit, weil für sie Gott eine ganz reale Größe ist: Da, mitten im (eigenen) Leben. Also: Dein Gottesbild? Wie meinst du? Du lebst und du musst sehen, wie du deine eigenen Schäfchen ins Trockene bringst? Alles andere ist dir egal – Hauptsache dir geht’s gut? Verzeih: Und Gott? Tztz….

Roland Trentinaglia, Pfarrer in Hohenweiler, Hörbranz und Möggers.
Roland Trentinaglia, Pfarrer in Hohenweiler, Hörbranz und Möggers.

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