In völliger Abgeschiedenheit

Zu Gast bei den Hüttenwirten Julika Rieger und Patrick Kohlbacher auf der Tübinger Hütte.
Gaschurn Die auf 2193 Metern Seehöhe gelegene Tübinger Hütte in der Silvretta-Gruppe ist heute unser Ziel. Wir werden dort nicht nur hinwandern und uns einen leckeren Apfelstrudel gönnen, sondern da auch übernachten – fernab jeglicher Zivilisation.
Wir starten vom Wanderparkplatz beim Vermuntsee, der unterhalb des Silvretta-Stausees liegt und folgen den Schildern in Richtung Tübinger Hütte. Nach einem breiten Schotterweg kommt bald schon die Abzweigung, bei der es geradeaus zur Saarbrücker Hütte weitergeht und rechts der Wanderpfad zur Tübinger Hütte abbiegt. Der Weg schlängelt sich durch Alpenrosen sanft nach oben. Nachdem wir ein größeres Restschneefeld überquert haben, an dessen Ende zwei Bäche nach unten stürzen, geht es zwischen größeren Felsbrocken steiler bergauf zum Hochmadererjoch.
Je nachdem wie spät man losgeht, kann man den Hochmaderer noch mitnehmen. Das Gepäck kann man ein paar Meter nach der Weggabelung zum Hochmaderer geschützt an einem größeren Felsbrocken abstellen und den Rest des unmarkierten Steigs ohne Gepäck zurücklegen. Danach steigt man wieder bis zur Weggabelung ab und schlendert nach einem Abstieg von 300 Höhenmetern fast eben bis zur Alpenvereinshütte. Auf diesem Stück kann man richtig die Landschaft des Silvretta-Gebirges genießen. Man ist hier von einer völligen Stille umgeben, denn die Tübinger Hütte ist eingekesselt von mächtigen Bergen wie dem Mittelberg, der Kessispitze und Plattenspitze.
Leckerer Apfelstrudel
An der Tübinger Hütte begrüßen uns die neuen Hüttenwirte Julika Rieger und Patrick Kohlbacher. Die in Kärnten wohnenden Bergbegeisterten haben die Alpenvereinshütte Ende Juni zum ersten Mal bezogen. Für sie ist der Hüttenbetrieb und das Leben auf einer Hütte Neuland. Wir haben mit Julika und Patrick sowie mit Manoel Kahle aus Niedersachsen gesprochen. Auch Heida Kammerer aus Baden-Württemberg, die übrigens den leckeren Apfelstrudel kreiert, verbringt diesen Sommer auf der Tübinger Hütte. Das Team komplettiert der Koch Johannes Tschabrun aus Schruns, der den vieren anfangs erst einmal einen Kochkurs gab, damit jeder die Hüttengerichte auch kochen kann.
Aller Anfang ist schwer. Das können auch Julika und Patrick bestätigen, die den Hüttenstart aufgrund des vielen Schnees um eine Woche verschieben mussten. „Am Anfang mussten wir noch Schnee schaufeln, weil wir nicht mit dem Auto zur Materialseilbahn kamen“, erzählt Julika. Auch die Turbine, die zusammen mit einem Generator den Strom erzeugt, konnten die beiden erst einbauen, als der Schnee geschmolzen war. Der Strom wird nämlich nur aus dem vorhandenen Bergwasser mittels eines Wasserkraftwerks produziert, weshalb man mit ihm nicht verschwenderisch umgehen darf. „Es ist eine Herausforderung, damit zu haushalten“, weiß Patrick bereits aus Erfahrung.
In der ersten Woche musste das Paar noch viel Organisatorisches klären, zum Beispiel wie die Küche und die gesamte Haustechnik funktionieren. „Wir hatten nur fünf Tage Vorbereitungszeit, bevor die ersten Gäste kamen“, bedauert Julika. „Aber die Gemeinde Gaschurn hat uns mit offenen Armen empfangen. Und auch Markus Felbermayer unterstützt uns mit der Bereitstellung eines eigenen Lagerraums für unsere Vorräte in seinem Hotel.“
Anstrengend ist das Hüttenleben auf jeden Fall, aber auch schön. „Wir wandern alle gerne, sind jedoch noch nicht dazu gekommen, die Gegend hier zu erkunden“, sagt Julika. Der Job hier oben sei sehr zeitintensiv, weiß auch Manoel, jedoch sind auch ihm gewisse Standards für die Gäste wichtig: „Uns ist es wichtig, dass sich die Leute wohlfühlen, zufrieden sind und glücklich wieder gehen.“
Auf der Tübinger Hütte genießen wir die letzten Sonnenstrahlen an diesem Tag, sitzen beim Abendessen in der Stube und spielen Schach. Denn eines sucht man hier vergeblich: Handyempfang. Einmal die Woche fährt jemand ins Tal, um Lebensmittel aus der Region zu besorgen. Allein, um bis ins Tal zu gelangen, braucht man circa eine Stunde. Und das macht den Reiz dieser Hütte aus – ihre völlige Abgeschiedenheit. Obwohl Julika und Patrick die Hütte aufgrund von Corona nur zu zwei Dritteln belegen, gab es dennoch einen Coronafall, weshalb die Hütte noch bis 8. August geschlossen ist. VN-JUN



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