“Machtempfinden gegenüber Frauen ist ein großes Problem”

SPÖ-Politikerinnen über Gewalt, Gehalts- und Pensionslücken.
schwarzach Der gefährlichste Ort für Frauen sind die eigenen vier Wände. Das betont SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner angesichts der Serie an Frauenmorden im gemeinsamen VN-Interview mit der Landesfrauenvorsitzenden Michelle Feigl.
Heuer sind bereits 17 Frauen in Österreich mutmaßlich ermordet worden. Warum passiert das so oft?
holzleitner Jeder einzelne dieser 17 Frauenmorde ist extrem heftig und schlimm. Die Täter waren meist Partner oder Ex-Partner. Das Machtempfinden von Männern gegenüber Frauen ist ein großes Problem.
Der Tod einer 13-Jährigen in Wien rief alle Parteien auf den Plan. Macht die Politik genug?
holzleitner Nein. Gerade nach diesem Mord hat man gesehen, dass es einen dauerhaften Krisenstab benötigt, um sofort reagieren zu können. Wir wissen zum Beispiel von Frauenberatungsstellen, die mit der Finanzierung kämpfen. Das ist auch beim angekündigten Gewaltschutzpaket ein großes Thema. Vieles läuft über Projektfinanzierung und nicht über Basisfinanzierung. Das heißt, dass sich Frauenberatungsstellen immer wieder neue Projekte einfallen lassen müssen, um finanziert zu werden. Die Opferschutzeinrichtungen sagen, es bräuchte über 200 Millionen Euro, um den laufenden Betrieb aufrechtzuhalten und ein entsprechendes Angebot zu schaffen.
Der Fall in Wien führte zu einer Asyldebatte.
Holzleitner Wir haben 17 Frauenmorde. Einer wird herausgegriffen und eine andere Debatte angefacht. Frauenpolitik ist stark in den Hintergrund gerückt, war in der Berichterstattung viel weniger präsent. Und nur in diesem Fall drückt der Bundeskanzler seine große Betroffenheit aus. Vorher hat er sich nie zu dem Thema zu Wort gemeldet. Der gefährlichste Ort für Frauen sind die eigenen vier Wände. Man sollte grundsätzlich über patriarchale Strukturen sprechen, diese sind auch bei uns vorhanden.
Laut Eurostat lag der Gender Pay Gap 2019 bei fast 20 Prozent, über dem EU-Schnitt. Warum verdienen Frauen viel weniger als Männer?
feigl Einer der Gründe ist sicher die hohe Teilzeitquote. Das ist gerade in Vorarlberg ein Problem. Ein Großteil der Frauen reduziert ihre Arbeit, ihr Erwerbseinkommen, sobald es in der Familie Kinder oder pflegebedürftige Erwachsene gibt. Männer gehen wiederum meistens in Teilzeit, um sich weiterzubilden, und wechseln dann zurück in die Vollzeit. Frauen bleiben sehr lange in Teilzeit, was sich negativ auf die Pension auswirkt. Ich glaube auch, dass es mehr kostenlose oder günstige Kinderbetreuungseinrichtungen braucht.
Hilft ein verpflichtendes Pensionssplitting gegen Altersarmut?
holzleitner Es steht im Regierungsprogramm, aber ich denke, dass man da etwas vorsichtig sein muss. Wenn der Partner einen Mindestlohn bezieht, dann steigen letzten Endes beide mit einer geringen Pension aus. Das wichtigste ist, junge Frauen zu motivieren, selbstständig auf eigenen Beinen zu stehen und Vollzeit zu arbeiten.
In der SPÖ kam es zum Streit zwischen Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil. Rendi-Wagners Ergebnis bei der Wiederwahl als Parteichefin war auch nicht das Beste. Haben es Frauen in der Politik schwieriger?
holzleitner Es war sehr gut, dass es ein klärendes Gespräch in Kärnten gegeben hat. Ja, Frauen haben es schwieriger. Das hat auch eine Umfrage der Publizistin Ingrid Brodnig gezeigt. Frauen sind nach wie vor extrem stark mit Hassnachrichten und Drohungen konfrontiert, wenn sie in der Politik sind. In Wahrheit müssen sie mindestens doppelt so hart arbeiten wie die männlichen Kollegen, um ernst genommen zu werden. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen. VN-RAM
Die längere Version des Interviews mit Holzleitner und Feigl finden Sie auf VN.at.