Riesige Party in der Nachbarschaft

In der Nachbarschaft läuft eine riesige Party ab. So etwas kann manchmal ganz gehörig nerven, wie wir aus eigener Erfahrung wissen. Die Riesenparty am Sonntag aber könnte vielleicht sogar übersehen und überhört werden. Darum nutze ich die Gelegenheit, hier darauf aufmerksam zu machen. Der 1. August ist der Schweizer Nationalfeiertag. An diesem Tag geht in der Nachbarschaft Jahr für Jahr eine Riesenparty los – vom Genfersee bis zum Bodensee, von Basel bis Lugano. Es gibt keine großen Shows, sondern schlichte Feiern in Familien, in der Nachbarschaft, im Dorf und in der Stadt. Einige von den Feuerstellen, an denen in helvetischer Art Cervelats gebraten werden, sind auch in Vorarlberg zu sehen.
Ein Wort über die Landesgrenzen
Ich würde mich freuen, wenn am Schweizer Nationalfeiertag auch sonst etwas wahrgenommen wird in der Nachbarschaft. Unsere jetzige Bundesverfassung trat am 1. Januar 2000 in Kraft. Auf die Präambel bin ich besonders stolz. Hier geht es nicht um Gesetze, sondern um die Haltungen, die hinter allem stehen sollen. Die Präambel lautet:
Im Namen Gottes des Allmächtigen!
Das Schweizervolk und die Kantone,
in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung,
im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben,
im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen,
gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen,
geben sich folgende Verfassung:
Im Unterschied zur Verfassung des Vatikanstaates – unterschrieben im Jahre 2000 von Papst Johannes Paul II. – kommt in der Verfassung der Schweiz sogar Gott ausdrücklich vor. Aber auch andere aktuelle Themen überraschen: Verantwortung gegenüber der Schöpfung; Stärkung der Freiheit, der Demokratie, der Unabhängigkeit, des Friedens, der Solidarität und der Offenheit gegenüber der Welt. Es wird der Wille bekundet, die Vielfalt in der Einheit zu leben in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung. Wir dürfen uns dankbar bewusst sein, was wir gemeinsam errungen haben. Unsere Entscheidungen sollen in Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen getroffen werden. Wir sind uns gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, was nie heißt – das wird im Zusammenhang der Präambel auch klar – einfach zu machen, was man will. Eine eigentlich selbstverständliche, aber doch sehr starke Aussage ist: Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen. In anderen Worten sagt dies eine Redewendung: Eine Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied. Das wissen wir alle. Aber im Umgang mit den Schwachen in unserer Gesellschaft zeigen wir leider allzu oft, dass uns die Option für die Armen – in welcher Weise auch immer die Armut sich zeigen kann – noch nicht in Leib und Seele übergegangen ist. Alle diese Klarstellungen zu Beginn der Verfassung wurzeln zutiefst im Evangelium – nicht ausgrenzend oder besserwisserisch, sondern menschenfreundlich einladend.
Haltungen, die guttun
Die Präambel der Schweizer Bundesverfassung entstand im Zusammenhang der Totalrevision mit großem Einsatz und durch hartes Ringen. Wenn die einzelnen Ausführungen der Bundesverfassung vor allem Juristinnen und Juristen interessieren, so verdient die Präambel weit über die Landesgrenzen hinaus Interesse. Sie ist nicht ein Rezeptbuch, sondern eine stille Mahnerin zu Haltungen, die uns und anderen guttun – gestern, heute und morgen, in der Schweiz, aber auch in Österreich.
