Immer mehr Ü-100-Vorarlberger

Starker Anstieg in Vorarlberg: Experte verweist auf Geburten nach dem Ersten Weltkrieg.
SCHWARZACH Die Corona-Pandemie ist in ihren bisherigen Wellen besonders für ältere Menschen gefährlich gewesen. Die meisten der 311 erfassten Todesfälle in Vorarlberg betrafen ab 75-Jährige. Umso bemerkenswerter wirkt es auf den ersten Blick, dass die Zahl der über 100-Jährigen im Land zuletzt stark gestiegen ist: Laut Statistik Austria handelte es sich Anfang 2021 um 52. Im Jahr davor waren es 43, Anfang 2019 nur 31.
Marc Luy, Leiter der Forschungsgruppe Gesundheit und Langlebigkeit an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, warnt, voreilige Schlüsse im Zusammenhang mit der Pandemie zu ziehen. Das sei noch zu wenig untersucht. Abgesehen davon hat er ohnehin eine schlüssige Erklärung parat. Im Gespräch mit den VN verweist Luy auf „das demografische Echo“. Bei der Entwicklung der über 100-Jährigen kommt demnach vor allem auch die Größe ihrer Geburtsjahrgänge zum Ausdruck.
Bis 2016 ist die Zahl der über 100-Jährigen in Vorarlberg mit bis zu 48 vorübergehend recht hoch gewesen. Dann ist sie eingebrochen. Das hat damit zu tun, dass die von der Anzahl der Geburten her sehr schwachen Jahrgänge des Ersten Weltkriegs nachgerückt sind. Unmittelbar danach gab es wieder viel stärkere Jahrgänge, die nun ins hohe Alter gekommen sind.
Zweiter Weltkrieg
Bei den 52 vom 1. Jänner 2021 handelte es sich um 43 Frauen und gerade einmal neun Männer. Auch das ist laut Luy erklärbar: Viele Männer dieser Generation starben im Zweiten Weltkrieg. Im Übrigen hätten Frauen grundsätzlich eine höhere Lebenserwartung. „Dieser Unterschied wird jedoch immer kleiner. Er ist nur zu 20 bis 25 Prozent biologisch erklärbar“, so Luy. Darüber hinaus seien Lebensweisen entscheidend. Und diesbezüglich sei etwa feststellbar, dass immer mehr Frauen rauchen, während Männer zunehmend gesundheitsbewusster leben.
Auch bei beruflichen Tätigkeiten gebe es Annäherungen. „In der Tendenz ist die Lebenserwartung von Frauen und Männern daher schon länger zusammengehend“, erläutert Luy.
100 und mehr Jahre werden noch immer nur sehr wenige Menschen. Allmählich könnte sich das jedoch ändern: Marc Luy ist in einer eigenen Untersuchung der Frage nachgegangen, wie belastbar die Hypothese ist, dass bis 2050 die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt auf 100 ansteigen könnte; dass es bei Kindern, die dann auf die Welt kommen, also absolut realistisch ist, dass sie dieses Alter erreichen werden. „Es gibt Forscher, die sind überzeugt davon, ich bin vorsichtig“, betont Luy: Wissen tue es niemand. Auszuschließen sei eine solche Entwicklung jedoch nicht, schreibt er in seiner Untersuchung und empfiehlt, diese Möglichkeit zum Beispiel bei Bevölkerungsprognosen zu berücksichtigen. JOH