Jürgen Weiss

Kommentar

Jürgen Weiss

Bunte Ergebnisse

Vorarlberg / 27.09.2021 • 20:08 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Dass die Schweizerinnen und Schweizer die „Ehe für alle“ befürworten, war die geringste Überraschung des Wahlsonntags. Bemerkenswert ist allerdings, dass dafür fast eine Zweidrittelmehrheit zustande kam und nicht einmal die ländlich-konservativen Kantone dagegen waren. Der unterschiedlich ausgeprägte Widerstand kirchlicher Kreise ging selbst dort ins Leere. Dabei handelt es sich nicht wie in Österreich nur um eine eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare, sondern um eine völlige rechtliche und sprachliche Gleichstellung mit der traditionellen Ehe von Mann und Frau.

Dass in Oberösterreich Landeshauptmann Stelzer seinen Spitzenplatz mit klarem Abstand halten und sogar trotz starker Konkurrenz noch leicht zulegen konnte, war zu erwarten. Wenn es der ÖVP gelungen wäre, von den kräftigen Verlusten der FPÖ stärker zu profitieren, wäre man angesichts der gering gewordenen Unterschiede bei der Nichtaufnahme von Flüchtlingen allerdings auch nicht überrascht gewesen. Ein interessante Folgewirkung des ÖVP-Erfolgs gibt es im Bundesrat, wo die beiden Regierungsparteien jetzt wieder die Mehrheit haben und keine Verzögerungen durch (durchwegs parteipolitisch motivierte) Einsprüche mehr fürchten müssen.

Angesichts der Meinungsumfragen war es in Deutschland schon überraschend, dass aus einem deutlichen Vorsprung der SPD letztlich doch nur ein knapper Abstand zur CDU/CSU wurde. Dass Armin Laschet auch vom zweiten Platz aus die Kanzlerschaft anstrebt, ist eine klare Ansage. Wolfgang Schüssel wurde nach der Wahl 1999 sogar vom dritten Platz aus Bundeskanzler. Dass die Grünen und die FDP Laschet zur Kanzlerschaft verhelfen, ist nicht so unmöglich, wie es auf den ersten Blick scheint. Gegenüber dem Schwächeren könnten sie sich in einer Regierung vermutlich besser behaupten als gegenüber dem stärkeren Olaf Scholz von der SPD. Eine Zusammenarbeit mit der SPD wäre zudem für die FDP inhaltlich die größere Hürde als es für die Grünen eine Zusammenarbeit mit der CDU wäre.

Unüberbietbar war die Überraschung in Graz. Dass die KPÖ stärkste Fraktion wurde und die türkise ÖVP mit einem Minus von zwölf Prozentpunkten noch stärker verlor als die FPÖ in Oberösterreich, hatte wohl niemand erwartet. Dabei hat die klare Ausschilderung als kommunistische Partei offenkundig früheren Schrecken verloren und gezeigt, dass man mit inhaltlicher Glaubwürdigkeit und dazu passenden Personen auch als KPÖ Wahlen gewinnen kann. Dieses Selbstbewusstsein möchte man der Vorarlberger SPÖ wünschen, die bei der letzten Gemeindewahl auf den Wahlvorschlägen ihre Parteibezeichnung vielfach überhaupt hinter der Allerweltsbezeichnung „Team“ verschämt verschwinden ließ.

„Unüberbietbar war die Überraschung in Graz.“

Jürgen Weiss

juergen.weiss@vn.at

Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.