Das sagen Experten zum Volksabstimmungsrecht mit Notausgang

Vorarlberg / 01.10.2021 • 05:45 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Das sagen Experten zum Volksabstimmungsrecht mit Notausgang
Der Verfassungsgerichtshof hob vor einem Jahr das Initiativrecht auf. FPÖ, SPÖ und Neos haben nun einen Vorschlag für eine Alternative vorgelegt. APA

Opposition legt Alternative zu gekipptem Abstimmungsrecht vor.

Bregenz Vorarlbergs Oppositionsparteien nehmen sich die juristische Quadratur des Kreises vor. Sie wollen Verbindlichkeit und Freiwilligkeit unter einen Hut bringen. Gemeindebürger sollen zukünftig die Gemeindevertretung wieder zu einer Volksabstimmung zwingen dürfen, allerdings nicht verpflichtend. Und zwar mit einem Kniff. Die Landesregierung hat bereits vorsichtige Zustimmung signalisiert. Ist der Vorstoß erfolgreich, könnten Gemeindebürger in Vorarlberg mit kleinen Einschränkungen auch zukünftig die Möglichkeit haben, Volksabstimmungen einzuleiten.

Der Kniff

Nach der Abstimmung in Ludesch stellte das Verfassungsgericht (VfGH) fest, dass ein Volk kein Recht ohne Zustimmung der gewählten Politiker durchsetzen darf. Die Oppositionsparteien und deren Juristen haben einen Gesetzestext vorgelegt, der das berücksichtigen soll. Und zwar so: Sammeln Bürger eine bestimmte Zahl an Unterschriften, hat die Gemeindevertretung zwei Sitzungen Zeit, sich damit zu befassen. Ansonsten folgt automatisch eine Volksabstimmung. Lehnt das Gemeindeparlament den Antrag einer Volksabstimmung ab, muss zumindest eine Volksbefragung abgehalten werden. Deren Ergebnis ist nicht bindend.

Viel Optimismus

Die Oppositionsparteien werfen der Regierung Untätigkeit vor. Deshalb starte man diesen gemeinsamen Antrag, begründen FPÖ-Chef Christof Bitschi, SPÖ-Klubobmann Thomas Hopfner und Neos-Abgeordneter Johannes Gasser. Die Zustimmungs der Landesregierung scheint nicht ausgschlossen. Persönlich könne er dem Vorschlag einiges abgewinnen, lässt ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück durchblicken. Aber man müsse sich erst genau damit befassen. Für Grünen-Chef Daniel Zadra steht fest: Führt der Vorschlag zu mehr Mitebestimmung und ist verfassungskonform, sei er positiv gestimmt.

Verfassungsjurist Peter Bußjäger sagt: “Ich erachte den Antrag für einen gangbaren Versuch auf Basis des VfGH-Erkentnisses.” Die Volksbefragung sei schließlich nicht bindend. Juristin Anna Gamper von der Uni Innsbruck findet nichts, das zwingend gegen den neuen Modus spricht. “In diesem Fall hat es die Gemeindevertretung in der Hand, die Volksabstimmung zu verhindern.” Die Entscheidungsfrist schränke zwar die repräsentative Demokratie etwas ein, aber nicht in einem Ausmaß, das dieses Verfassungsprinzip verletzt. Die alternative Volksbefragung sei zudem nicht bindend. Ihr Wiener Kollege Bernd-Christian Funk ist ebenfalls überzeugt: “Nach meiner Einschätzung ist das in dieser Form in Ordnung und entspricht den Anforderungen des Verfassungsgerichtshofs.” Gamper fährt jedoch fort: “Ob es besonders sinnvoll ist, bleibt natürlich die Frage.” Lehne die Gemeindevertretung eine Abstimmung ab, dürfte sie auch nicht sonderlich gewillt sein, der Volksbefragung Rechnung zu tragen.

Stimmen der Politik

“Nachdem sich erwartungsgemäß auf Bundesebene keine Lösung der Problematik von Volksabstimmungen auf Gemeindeebene abzeichnet, starten wir nun einen gemeinsamen Versuch auf Landesebene.” Christof Bitschi, FPÖ

“In Österreich sind wir behutsam und überlegt mit Volksabstimmungen umgegangen. Das finde ich auch richtig. Bei manchen Fragen ist das aber genau die richtige Vorgehensweise.” Thomas Hopfner, SPÖ

“Viele engagierte Bürger aus der Zivilgesellschaft, z.B. “Volksabstimmungen über Volksabstimmungen” oder auch eigene Resolutionen der Gemeinden zeigen den Bedarf auf, hier größer zu denken.” Johannes Gasser, Neos

“Vorarlberg hat eine Sonderstellung in Österreich, wir haben einen anderen Zugang zur direkten Demokratie. Wir müssen uns erst damit befassen, aber ich hoffe, dass wir eine Abänderung finden, mit denen alle leben können.” Roland Frühstück, ÖVP

“Es ist keine ganz triviale Geschichte. Wir werden uns jetzt mit Experten und den anderen Fraktionen zusammensetzen. Ist der Vorschlag verfassungskonform und bringt er wieder mehr Mitbestimmung, bin ich positiv gestimmt.” Daniel Zadra, Grüne