Nach Unfall im Rollstuhl: Sehnsucht nach nassem Gras unter den nackten Füßen

Vorarlberg / 09.12.2021 • 12:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Nach Unfall im Rollstuhl: Sehnsucht nach nassem Gras unter den nackten Füßen
Alois Lässer war nach dem Unfall schnell klar, dass es keinen Weg zurück gibt und er nach vorne schauen muss. VN/kum

Ein Arbeitsunfall brachte Alois Lässer in den Rollstuhl. Der Landwirt aus dem Bregenzerwald musste sich einen neuen Beruf suchen und sein Leben neu ausrichten.

Alberschwende Das Leben von Alois Lässer (58) schien vorgezeichnet. Als ältester Sohn eines Bauern aus Alberschwende sollte er einmal die elterliche Landwirtschaft weiterführen. Deshalb absolvierte der junge Mann die Landwirtschaftsschule in Hohenems. Mit 27 Jahren übernahm er – zusammen mit seiner Frau Renate – den Betrieb: Im Stall standen 15 Kühe und 40 Mastschweine. Alois war gerne Bauer. Die Arbeit in der Natur und mit den Tieren gefiel ihm. Nebenher setzte er sich für die Allgemeinheit ein. Der junge Landwirt mischte als Gemeindevertreter in der Politik mit, war Mitglied der örtlichen Feuerwehr, Schriftführer beim Viehzuchtverein und Obmann der Sennerei-Genossenschaft Müselbach.

Sein aktives Leben als Landwirt und Funktionär fand am 27. Juli 1993 ein jähes Ende. An diesem Tag verunglückte Alois bei Holzarbeiten schwer. In der steilen Böschung rutschte der 30-Jährige aus und stürzte ab. Er fiel über eine zweieinhalb Meter hohe Mauer. „Ich verlor kurz das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, schmerzte mein Rücken extrem.“ Der Bauer hatte sich bei dem Sturz den 11. und 12. Brustwirbel gebrochen und das Rückenmark gequetscht. Das hatte fatale Folgen für ihn. „Seither bin ich von der Hüfte abwärts gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen.“

Arbeit lenkt von den Schmerzen ab

In einer Reha-Klinik lernte er, den Alltag allein zu bewältigen. „Ich kann selbst duschen und brauche auch beim An- und Ausziehen keine Hilfe.“ Aber die Arbeit eines Bauern konnte der querschnittgelähmte Mann nicht mehr verrichten. Mit 30, so fand Alois, war er noch zu jung, um nur dem Müßiggang zu frönen. „Ich schaute dem Nachbarn beim Heuen zu und dachte mir: ,Du sitzt da und tust nix. Das geht nicht. Du musst dir eine Arbeit suchen.‘“

Der Inhaber einer Werkzeug-Maschinenhandlung im Bregenzerwald gab dem jungen Mann mit dem Handikap eine Chance. „Josef Herburger suchte jemanden, der ihm Reparaturen macht und stellte mich als Teilzeitkraft für zehn Stunden an.“ Dem technisch begabten Mann gefiel die Arbeit. „Ich habe unter anderem Motorsägen, Bohrmaschinen, Handkreissägen, Rasenmäher und Hochdruckreiniger repariert. Letzteres lernte ich bei Fortbildungen.“ Was als Teilzeitarbeit begann, ging schnell in einen Fulltime-Job über. „Nach zwei Jahren habe ich bereits 36 Stunden in der Woche gearbeitet.“ Der Alberschwender arbeitet nach wie vor in diesem Betrieb. „Der Beruf macht mir Spaß – auch weil er mich mit Menschen zusammenbringt.“  Die Arbeit ist aber noch aus einem anderen Grund wichtig für ihn. „Sie lenkt mich von den Schmerzen ab.“ Seit Jahren plagen ihn Nervenschmerzen an den Fußsohlen. „Es ist ein brennender Schmerz.“

 Alois Lässer arbeitet seit 1994 für die Firma Herburger Werkzeuge. Der Alberschwender repariert Maschinen und Elektrowerkzeuge.
Alois Lässer arbeitet seit 1994 für die Firma Herburger Werkzeuge. Der Alberschwender repariert Maschinen und Elektrowerkzeuge.

Kurz nach dem Unfall befürchtete der damals frischgebackene Vater eines Sohnes, dass sein Leben vorbei sei. Heftige Angstattacken suchten ihn einige Tage lang heim, „weil ich mir Sorgen um die Zukunft machte und mir gesagt wurde, dass ich einen Rollstuhl brauche. Das schockte mich. Aber dann wurde mir klar, dass es keinen Weg zurück gibt und ich nach vorne schauen muss.“ Heute, Jahrzehnte später, weiß Alois: Sein Leben ordnete sich nach dem Unfall neu. Es schenkte ihm eine neue, erfüllende Arbeit und zwei weitere gesunde Kinder. „Es ist viel wert, wenn man eine Familie hat und nicht allein ist. Vor allem meine Frau ist mir immer ein großer Halt gewesen. Sie ist ein positiv denkender Mensch.“ Es ist dem gelähmten Mann deshalb nicht schwergefallen, mit Zuversicht durchs Leben zu gehen. Dennoch würde er viel darum geben, wenn er noch einmal mit nackten Füßen über nasses Gras laufen könnte. „Das habe ich als Kind gerne gemacht, weil es ein super Gefühl ist“, sagt er mit verklärtem Gesichtsausdruck.  

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