Reinhold Bilgeri

Kommentar

Reinhold Bilgeri

Oho – Vorarlberg

Vorarlberg / 19.01.2022 • 22:05 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Wir, mein Freund Michael Köhlmeier und ich, haben den Auftrag eines TV Senders angenommen, eine Doku über Vorarlberg zu drehen, die spezifische Eigenschaften aufstöbern soll, die in bekannten oder auch weniger bekannten und dennoch besonderen Vorarlberger Persönlichkeiten etwas von der „Seele“ unseres Landes erzählen. Und üppig schwirren gleich Dutzende durch unsern Kopf, Menschen, die durch ihr Wirken, Werken und Leben, passende Repräsentanten wären. Die Selektion macht Kopfzerbrechen. Gibt’s tatsächlich Parameter,die unsere Eigenart einzäunen?

Vorbilder

Um unsern Ansatz zu relativieren stellen wir fest, daß es problematisch ist „einem ganzen Land Charaktereigenschaften zuzurechnen, wie sie auch und vor allem einem einzelnen Menschen eignen“ und doch sind wir überzeugt, „daß man aus dem, was man Mentalität nennt, auf eben solche Eigenschaften einer Gruppe von Menschen schließen darf.“ Also machen wir uns an die Arbeit, im Wissen, daß wir uns eh in die Nesseln setzen werden, wer kann sich schon erdreisten Vorarlbergs „Seele“ in 50 Minuten gerecht zu werden…

Michael formuliert es so: „Um unser Land ,verständlich‘ zu machen, haben wir beschlossen, hervorragende Persönlichkeit vorzustellen, die gewisse Charaktereigenschaften repräsentieren, die wir für unser Land als typisch erachten . . .“ „Dass wir uns auf ,gute‘ Vorbilder beschränken, gründet in dem letzten Rest an Chauvinismus, den wir uns erlauben“. Ich bin ganz bei ihm, aber bitte steinigt uns nicht, wir können nicht alle reinpfropfen, die uns einfallen. Also kommen wir überein, im Hinblick auf das, aus verkrustetem Konservativismus erwachsende, „neue“ Vorarlberg, Menschen ins Licht zu stellen, die ein Hang zur Rebellion auszeichnet und Frau Ammann hat mit Vehemenz noch zwei starke Frauen reinreklamiert, um eine „Männerbeweihräucherung“ zu verhindern.

Angelika Kauffmann, aufgewachsen in Schwarzenberg, internationaler Star ihrer Zeit, Ikone der Malerei, und die lebendige Anita Keckeis (Kex) in Bludenz, die vollendete Spitzenkunst kreiert und weltweit verkauft. Dann ist da: Stefan Sagmeister, der „ New Yorker“ aus Bregenz, Grafikdesigner, Grammygewinner, aus hiesigen Wurzeln in höchste Höhen, Tone Innauer,Überflieger und Philosoph, Jürgen Thaler, Literaturwissenschaftler, bringt uns den genialen F. M. Felder näher, Hermann Kaufmann den Höhenflug der Architektur, Wolfgang Flatz, der extremste, seinen Körper als Zielscheibe und Objekt, Schmerz ist sein Thema. Philipp Lingg, Mastermind des HMBC, schafft 9 Millionen Klicks für ein Dialektlied, das kein Deutscher versteht, oh ja es wäldert a bitzle: Kaspanaze Simma brachte ja noch Grün aufs Tapet Europas und etliche Unternehmer bespielen erfolgreich, als global Player, den Weltmarkt.

Am Ende der Recherche fährt uns eine Brise Respekt und Demut ins Blut – klein, aber oho!

„Dass wir uns auf ,gute‘ Vorbilder beschränken, gründet in dem letzten Rest an Chauvinismus, den wir uns erlauben.“

Reinhold Bilgeri

reinhold.bilgeri@vn.at

Reinhold Bilgeri ist Musiker, Schriftsteller und Filmemacher, er lebt als freischaffender Künstler in Lochau.