Das dramatische Schicksal von Ernst Vonier

Vorarlberg / 20.01.2022 • 11:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Das dramatische Schicksal von Ernst Vonier
“Ich hatte brutales Pech im Leben”, sagt Ernst Vonier geradeheraus. VN/kum

Ernst Vonier (60) musste unglaubliche Schicksalsschläge ertragen. Als 16-Jähriger überlebte der gebürtige Lecher nur knapp einen Messerangriff.

Bartholomäberg Ernst Vonier (60) bemüht sich redlich, nach vorne zu schauen. Aber an manchen Tagen holt ihn die Vergangenheit ein. Der Blick zurück tut ihm nicht gut. Er reißt alte Wunden auf. Dabei dachte er, dass er sich mit seinem Schicksal ausgesöhnt habe. „Ich hatte brutales Pech im Leben“, sagt er geradeheraus. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. „Bei allem Pech – ich hatte das Glück, dass immer alles gut ausging. Deshalb darf ich nicht jammern.“

Ernst, der Unglücksrabe

Als er zwölf war, wurde der Lecher auf dem Zebrastreifen von einem Auto niedergefahren. Ernst überlebte knapp. „Weil ich viel Blut verloren hatte, bestand akute Lebensgefahr.“ Es dauerte ein Jahr, bis der Bub wieder auf die Beine kam. Mit 16 ereilte ihn der nächste Schicksalsschlag. Dieser hatte gravierende Auswirkungen auf sein Leben.

Der junge Mann, der in einem Gasthaus in Hörbranz eine Kochlehre absolvierte, wurde Opfer eines Messerangriffs. „Ich teilte ein Zimmer mit dem Hausmeister. Er war Alkoholiker und hat mich im Suff abgestochen, vermutlich deshalb, weil ich nicht auf ihn reagiert habe und mich im Bett schlafend gestellt habe.“ Ernst wehrte sich und überlebte trotz lebensgefährlicher Verletzungen. „Meine Blase und meine Milz waren verletzt und mein Darm durchtrennt.“ Nach der lebensrettenden Not-OP wachte der 16-Jährige mit einem künstlichen Darmausgang auf. „Ich hatte einen Beutel am Bauch und die anderen Jungs liefen den Mädchen nach.“

“Der Messerangriff hat mein Leben versaut.”

Ernst Vonier, Verbrechensopfer

Rückblickend kann Ernst tatsächlich nur sagen: „Der Angriff hat mein Leben versaut.“ Denn durch ihn büßte er seine Gesundheit ein. „Von 1977 bis 2013 musste ich mich rund 60 Operationen unterziehen, Fadenreste führten zu Verkapselungen, Tumoren und Entzündungen. Ich hatte Schmerzen und offene Wunden am Bauch, die über Monate nicht heilten.“ Bei der letzten OP vor acht Jahren fing er sich einen Krankenhauskeim ein. „Mein Bauch war voller Eiter. Ich hatte über 40 Grad Fieber und war dem Tod nahe.“

Die Eingriffe und gesundheitlichen Komplikationen zwangen den Koch oft in den Krankenstand. „Egal, in welchem Betrieb ich war, ich war für die Firma eine Belastung.“ Zuletzt arbeitete er bei der Telekom Austria. Dort hatte er einen geschützten Arbeitsplatz.  „Als es zu Umstrukturierungen kam, wurde ich in die Pension geschickt. Ich war 38 Jahre alt.“

Depressiv geworden

Die Pensionierung und der plötzliche Tod seines besten Freundes Franz Ulrich stürzten Ernst in eine Depression. „Ich saß daheim und hatte viel Zeit zum Nachdenken. Das tat mir nicht gut. Ich erkannte, dass ich rausgehen und etwas tun musste.“ Der leidgeprüfte Mann schaute sich nach ehrenamtlichen Tätigkeiten und Aushilfsjobs um. Unter anderem half er auf einer Alpe aus, arbeitete ehrenamtlich für die Feuerwehr, den Bludenzer Eisenbahnersportverein, das Kurzfilmfestival Alpinale und auch als Pyrotechniker. „Ich habe Feuerwerke verleitet und gezündet.“ Außerdem ließ er sich zum Taxilenker ausbilden.  „Ich wollte etwas dazuverdienen.“

Mit seiner niedrigen Rente kommt er mehr schlecht als recht durch. Anfangs bekam er noch von der Verbrechensopferhilfe „Weißer Ring“ eine Opferrente. „Aber dann hat man mich aus dieser Berentung rausgeworfen. Ich weiß bis heute nicht warum. Als ich später einen neuen Antrag stellte, hieß es vonseiten der medizinischen Gutachter, dass meine gesundheitlichen Probleme nicht in kausalem Zusammenhang mit dem Messerstich stehen würden.“ Ernst schüttelt voller Unverständnis den Kopf. „Das belastet mich, weil es Unrecht ist.“

In Verkehrsunfälle verwickelt

Auch in anderer Hinsicht hatte seine frühe Pensionierung weitreichende Folgen für ihn. „Meine Frau Angela und ich wären gerne Eltern geworden. Aber meine Rente ist so klein, dass wir uns auf das Abenteuer Kinder nicht einlassen wollten und konnten.“ Der 60-Jährige blickt auf seine Armbanduhr und entschuldigt sich. „Ich muss jetzt gleich gehen. Denn ich sollte eine krebskranke Frau ins Spital zur Chemotherapie fahren.“

Seit ein paar Monaten ist der Wahlbartholomäberger bei einem Taxiunternehmen geringfügig angestellt. Ernst ist gerne Taxifahrer. „Man kommt mit Menschen zusammen und kann sich mit ihnen übers Leben austauschen. Manchmal gibt man sich auch gegenseitig Kraft.“ Sein Job gefällt ihm, „aber er ist auch hart, weil ich viele schwerkranke Menschen chauffiere, leider auch viele junge Mütter“. Ernst ist ein sehr umsichtiger Autofahrer. Das kommt daher, dass er schon in mehrere Verkehrsunfälle verwickelt war, meistens ohne eigenes Verschulden. „Vor zehn Jahren hat mich ein junger Mann frontal mit seinem Wagen gerammt. Mein Auto hatte einen Totalschaden. Ich kam mit einem Schleudertrauma davon.“