Notbremsen
Das Impfpflichtgesetz ist mit breiter Mehrheit im Parlament beschlossen worden. Bis 15. März muss sich jeder, der noch nicht gegen das Corona-Virus geimpft ist, einer Impfung unterzogen haben. Wie sehr das Gesetz die Unwilligen beeindrucken kann, bleibt abzuwarten. Ab 16. März wird von der Polizei jedenfalls auch der digitale Impfpass kontrolliert. Wer dann keine einschlägige Eintragung aufweist, muss mit empfindlichen Strafen rechnen.
In der vorliegenden Fassung ist das Impfpflichtgesetz für die Regierung in erster Linie gesichtswahrend. Sie hat ihr Vorhaben grundsätzlich umgesetzt und gleichzeitig verschiedenste Notbremsen eingebaut: Der Gesundheitsminister kann durch Verordnung das Gesetz praktisch wieder außer Kraft setzen, er kann aber auch, abhängig von der epidemiologischen Situation, die Impfintervalle verkürzen oder verlängern. Damit ist es möglich, den verschiedensten Entwicklungen Rechnung zu tragen: Sei es, dass kein wirksamer Impfstoff gegen eine neue Virusvariante vorhanden ist, oder auch, dass sich die Pandemie buchstäblich verflüchtigt und wir alle keine Impfung mehr benötigen.
Ein derartiges Rahmengesetz, das der Regierung sehr viele Spielräume belässt, ist kein Idealfall, aber wahrscheinlich die bessere Lösung, als das Projekt Impfpflicht in den Sommer zu verschieben und im Herbst möglicherweise wieder vor demselben Problem zu stehen wie im vergangenen Jahr. Manchmal ist es besser, irgendeine Entscheidung zu treffen, als ewig herumzulavieren.
Auf die juristische Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof können wir gespannt sein. Dass der VfGH die Impfpflicht als Ganzes kippen wird, ist eher nicht anzunehmen. Die Argumente für die Impfpflicht sind grundsätzlich auch nach Omikron nachvollziehbar, der Gesetzgeber hat zudem einen großen Ermessensspielraum. Der VfGH hat schon längst klargestellt, dass die Regierung in einer Krisensituation einen beachtlichen Spielraum hat und flexibel reagieren können muss. Insoweit haben auch die erwähnten Notbremsen eine gewisse Chance, die Prüfung durch den Gerichtshof zu überstehen, auch wenn sie recht unbestimmt formuliert sind.
Dass einzelne Bestimmungen des Gesetzes aufgehoben werden, ist hingegen nicht auszuschließen. Aber vielleicht schaut die Welt im Herbst anders aus. Entweder interessieren Hospitalisierungen und Intensivbetten niemanden mehr oder der Rest Europas hat sich dem österreichischen Weg angeschlossen.
„In der vorliegenden Fassung ist das Impfpflichtgesetz für die Regierung in erster Linie gesichtswahrend.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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