Ein Bratschist mit vielen Stärken

Für ein Studium am Landeskonservatorium begab sich Guy Speyers auf eine lange Reise.
NÜZIDERS Die Musik führte Guy Speyers nach Vorarlberg. Durch die Musik lernte der 37-jährige Südafrikaner seine Frau kennen und landete in Nüziders. Da sitzt er nun am großen Tisch in diesem schmucken Einfamilienhaus am Dorfrand, ein Bär von einem Mann mit einer Freundlichkeit, die wohltut. Er holt sich noch eine Tasse Kaffee, bevor er anfängt zu erzählen, wie es ihn hierher verschlagen hat. Als Guy Speyers am 27. November 1984 in Port Elizabeth – einer Stadt in der Ost-Kapprovinz – zur Welt kommt, befindet sich das Land in einer Art Kriegszustand. Die Proteste gegen die Apartheidpolitik (Trennung von Weißen und Nichtweißen) nehmen zu. In den Townships kommt es vermehrt zu gewaltsamen Zusammenstößen. Südafrikas Regierung gerät immer mehr unter Druck. Der Anführer der Schwarzen, Nelson Mandela, ist bereits 21 Jahre eingesperrt.
Als Mandela 1990 aus der Haft entlassen wird und damit das Ende von Apartheid und der weißen Herrschaft naht, geht Guy Speyers noch in den Kindergarten. Die Eltern, ein Musiker-Paar, sind Nachfahren von britischen und holländischen Siedlern, darum wächst er mit seinem vier Jahre älteren Bruder als behüteter Weißer auf. „Ich habe als Kind von den Unruhen in Südafrika nichts mitbekommen“, erinnert sich Speyers. „Erst in der High-School nahm ich wahr, was in meinem Land vorging.“
Nach der High-School studiert er an der Nelson Mandela Metropolitan University Viola (Bratsche), schließt 2006 mit dem Bachelor-Titel ab. Damals ist er schon sechs Jahre Mitglied des Eastern Cape Philharmonic Orchestra. Während und nach dem Studium ist er als Musiklehrer tätig.
In der Stadt Stellenbosch (Westkap-Provinz) findet jedes Jahr im Juli das Internationale Kammermusik-Festival statt. Guy Speyers ist fast immer dabei. 2008 begegnet ihm dort Klaus Christa, Professor für Viola und Kammermusik am Vorarlberger Landeskonservatorium. „Klaus erwähnte damals, es sei möglich, dass ich ans Landeskonservatorium studieren kommen kann.“ Ein Jahr später gibt Speyers den Job als Musiklehrer auf und reist nach Vorarlberg.
Nach einer 32 Stunden dauernden Flug-Zug-Reise holt ihn Klaus Christa am Bahnhof Feldkirch ab und quartiert ihn bei sich zu Hause in Klaus ein. Am gleichen Abend schleppt Christa seinen südafrikanischen Freund zu einem Schubertiade-Konzert nach Schwarzenberg. Laut Speyers war das Konzert ein großartiges Erlebnis, „aber ich musste aufpassen, dass ich nicht einschlief, denn ich war hundemüde nach der langen Reise“.
Das Studium am Landeskonservatorium schließt Speyer 2012 mit dem Konzertfachdiplom ab. Seither unterrichtet er Viola und Violine an der Musikschule Dornbirn. Des Weiteren leitet er das Dornbirner Kinder- und Schülerorchester, ist Orchestervertreter, Vorstandsmitglied und Bratschist des Symphonieorchesters Vorarlberg, spielt im Kollegium Instrumentale, veranstaltet seit 2014 eine Konzertreihe in Nüziders und baut das Ensemble Plus auf, dessen Leitung er 2020 übernommen hat. „Wir, das Ensemble Plus, sind eine Gruppe von begeisterten Musikern mit einer Passion für zeitgenössische Musik“, erklärt er.
Die Sache mit der Sprache
Die Krankenschwester und Chorsängerin Angelika Salzgeber lernt er 2010 bei einem Orchesterprojekt kennen. Zwei Jahre später wird geheiratet, und das Paar zieht in dieses Haus in Nüziders. Sich in Vorarlberg einzuleben, sei ihm leichtgefallen: „Ich bin als Student gekommen und habe ziemlich schnell meinen Platz gefunden.“ Deutsch zu lernen, sei das Schwierigste gewesen, fällt ihm rückblickend ein. Mittlerweile beherrscht er die Sprache perfekt.
Seine Beziehung zu Vorarlberg beschreibt Guy Speyers so: „Ich bin verliebt in dieses Land. Nachdem ich damals in Feldkirch aus dem Zug stieg, erkannte ich sofort, dass ich an einem der schönsten Orte der Welt gelandet bin.“ Insbesondere empfinde er Dankbarkeit dafür, „dass hier das, was ich mache, geschätzt wird. Das ist wertvoll“.
Heimweh hat er keines, und an eine Rückkehr nach Südafrika, um dort wieder zu leben, denkt Guy Speyers nicht. Dennoch verbinden ihn mit seinem Herkunftsland starke Gefühle: „Ich werde immer Südafrikaner sein, aber ich bin europäischer Südafrikaner.“
„Ich bin als Student gekommen und habe ziemlich schnell meinen Platz gefunden.“
