„Das war ein anderes Leben“

29-jähriger Vorarlberger war in der Ukraine an Misshandlungen beteiligt, das Urteil fiel mild aus.
Feldkirch Der Vorarlberger sitzt als Angeklagter wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine in Feldkirch vor Gericht. Seine im Verhandlungssaal gezeigten, von ihm gedrehten Handyvideos schockieren. Sie zeigen, wie ein Mann im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren in einer völlig verdreckten Duschkabine eingesperrt und geschlagen wird. Drei Tage muss er in dem einen Quadratmeter großen Loch, das mehr Rohbau als Dusche ist, ausharren. Arme und Beine werden ihm zusammengebunden. Immer wieder Schläge mit steingefüllten Socken, Besenstil oder Schuhen. Man droht, ihm die Ohren abzuschneiden und ihn in einen Kohleschacht zu werfen.
Schlussendlich wird er mit einer Sturmhaube über dem Kopf zur Desorientierung drei Mal durch die nächste Stadt gefahren, ehe man ihn aussetzt. Ein MRT, das später von dem misshandelten Arbeiter angefertigt wird, zeigt, dass die Wirbelsäule an drei Stellen gebrochen ist. Zwei Zähne gingen verloren, ein Arm und ein Bein wurden schwer verletzt, die Kniescheibe malträtiert, er kann kaum gehen. Ob er tatsächlich ein Separatist oder gar ein russischer Spion war, bleibt bis zum Schluss ungeklärt.
Handypasswort gefordert
Hintergrund für die Folterungen war, dass der Festgenommene sein Handypasswort nicht preisgeben wollte. Er war aufgefallen, weil er betrunken vor der Kaserne der Kampftruppe Beschimpfungen gebrüllt hatte.
Der Vorarlberger rechtfertigt sich vor Gericht: „Das war ein anderes Leben. Wir fürchteten auch, in die Hände des Gegners zu fallen und hatten deshalb immer eine Handgranate dabei, um unserem Leben zuvor ein Ende zu machen“, erinnert sich der Angeklagte an die drohenden Gefahren.
Alkohol und Drogen
Zwei Zeugen werden einvernommen, auch sie waren freiwillig als Kämpfer in der Ukraine. Sie bestätigen, dass Alkohol im Überfluss sowie Cannabis auf der Tagesordnung standen. Auch der Angeklagte war dabei mit von der Partie. Staatsanwalt Manfred Bolter beschreibt ausführlich die Situation, welche Menschen offenbar verrohen lässt. Langeweile, Brutalität, keine wirklichen Aufgaben mehr, dazwischen Kämpfe an der Front. „Aus Langeweile ärgerte man sogar die Bauern und veranstaltete Panzerrennen über deren Felder“, so Bolter. Mindestens 50 Jahre war „Kriegsverbrechen“ am Landesgericht Feldkirch kein Thema, nun scheint es mehr denn je zur aktuellen Situation in der Ukraine zu passen.
Heute Krankenpfleger
Seit einigen Jahren lebt der beschuldigte Vorarlberger in der Schweiz, verdient als Krankenpfleger 3300 Schweizer Franken netto und liebt seinen Beruf. Er hat zwei Kinder und interessiert sich weder für Krieg noch Waffen. Dem Misshandelten möchte er gerne finanzielle Entschädigung zukommen lassen, sofern sich die Daten des Opfers ausfindig machen lassen. Die Strafe wird mit zweieinhalb Jahre auf Bewährung ausgemessen. Der ordentliche Lebenswandel, das Geständnis, die untergeordnete Rolle bei den Misshandlungen und dass die Tat lange Zeit zurückliegt, rechtfertigen ausnahmsweise die Unterschreitung der Mindeststrafe von fünf Jahren.
Der Verurteilte akzeptiert, seitens der Staatsanwaltschaft gibt es keine Erklärung. Somit ist das Urteil nicht rechtskräftig.