Darum sind Verschwörungsgruppen auch bei uns nicht zu unterschätzen

Klein, aber gar nicht fein. Verschwörungstheoretiker stehen unter Beobachtung.
Schwarzach, Wien Die Verschwörungstheoretiker sind fest davon überzeugt, dass eine verbrecherische Elite, die das ganze Polit-Establishment umfasst, kleine Kinder missbraucht, foltert und tötet. Aus deren Blut gewinnt diese Elite eine Verjüngungsdroge. QAnon nennt sich diese Gruppe. Donald Trump ist der Einzige, der nach Ansicht dieser Wirrköpfe die Bösewichte erkannt hat.
QAnon hat es beim Sturm eines gewalttätigen Mobs aufs Kapitol in Washington zu trauriger Berühmtheit geschafft, der Mann mit nacktem Oberkörper und Büffelkopfbedeckung zum optischen Symbol. Bekannt ist auch jener QAnon-Vertreter, der in einer Pizzeria mit einer Waffe herumschoss, weil er glaubte, er müsse im Keller festgehaltene kleine Kinder befreien.
Aber es gibt auch andere obskure Gruppen. “Don’t Tread On Me” ist eine. Ihre Jünger vertreten rechtsradikale Ansichten. Das optische Erkennungszeichen: eine Flagge, die eine bissbereite Klapperschlange zeigt. Zu den Verschwörungsanhängern zählen auch die sogenannten “Preppers”. Sie bereiten sich auf einen ultimativen Katastrophenfall vor, decken sich mit Waffen und Nahrungsvorräten ein, kaufen “strategisch wichtige” Grundstücke und richten Überlebenskeller ein.
Harter Kern und Sympathisanten
Das Gemeinsame dieser drei Gruppierungen: Es gibt sie auch bei uns. Einzelne ihrer Vertreter marschieren bei den Corona-Demos mit. “Wir müssen uns derzeit nicht vor einer Bedrohung fürchten, aber wir sind wachsam und beobachten sie genau”, sagt Gert Gröchenig, bei der Landespolizeidirektion Vorarlberg als Sicherheitskoordinator zuständig. Ihre Symbole zeigen sie offen. “Uns ist klar, dass diese Leute Verschwörungstheorien verbreiten, die Demokratie ablehnen und natürlich ein Publikum suchen, wo sie ihre Ideologie verbreiten können. Von den Coronaprotestierern sind einige dafür empfänglich”, berichtet der Polizist. Es gebe bei all diesen Verschwörern einen harten Kern, um den sich mehrere Anhänger scharen. Seine Anhänger hat in Bregenz auch Ex-Präsident Donald Trump. “Wir waren überrascht, dass wir bei den Demonstrationen auch Trump-Plakate mit Sprüchen wie ‘Trump has won’ sahen”, fügt Gröchenig an. Strafrechtliche Vorfälle habe es bisher im Zusammenhang mit den Verschwörergruppen nicht gegeben, betont der Polizeibeamte.
“Wir müssen uns derzeit nicht vor einer Bedrohung fürchten, aber wir bleiben wachsam.”
Gert Gröchenig, Sicherheitskoordinator Landespolizeidirektion
Radikalisierung
Kommunikationswissenschafter und Experte für Verschwörungsgruppen, Prof. Jürgen Grimm von der Universität Wien, sieht die Zahl der Anhänger dieser bizarren Weltbilder zwar nicht wachsen, aber: “Wir beobachten eine steigende Radikalisierung jener kleinen Gruppe, die sich von ihren Haltungen nicht abbringen hat lassen. Es hat sich jetzt die Spreu vom Weizen getrennt. Jene, die in ihrem Weltbild verharren, haben sich zum Teil mit Familie und Bekannten zerstritten, sind aggressiver geworden.” Sie würden sich in einem Kampf gegen böse Mächte wähnen und und sich als Opfer stilisieren. Grimm warnt: “Die Entwicklung hin zu deutlich mehr Gewalt kann sehr schnell gehen. Wir sehen das zum Beispiel in Belgien, wo genau das passierte”, analysiert Professor Grimm.
“Die Entwicklung hin zu deutlich mehr Gewalt kann sehr schnell gehen. Das sehen wir in Belgien.”
Jürgen Grimm, Kommunikationsforscher
Im Netz aktiv
Der Experte schätzt, dass circa 20 Prozent der Bevölkerung für radikale Verschwörungstheorien zumindest empfänglich sind.
QAnon etwa ist auch im Netz aktiv. Es werden digital Botschaften verschickt und um Unterstützer geworben. Der Polizei in Vorarlberg hat einige Aktivisten auf dem Radar. Mit illegalen Aktivitäten sind sie jedoch bisher nicht aufgefallen.