“Es gibt Leute, die kondolieren zum Amt”

Vorarlberg / 10.03.2022 • 22:15 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Der Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch wechselte diese Woche nach Wien in das Gesundheitsministerium. Christoph Liebentritt
Der Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch wechselte diese Woche nach Wien in das Gesundheitsministerium. Christoph Liebentritt

Der neue Grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch gibt sich keine Schonfrist und kündigt ein Pflegepaket an.

Wien Am dritten Amtstag sieht sich der neue Gesundheitsminister nicht nur mit inhaltlichen Mammutaufgaben konfrontiert. Auch das neue Büro macht Johannes Rauch zu schaffen. Nach dem coronakonformen Durchlüften des Konferenzraums gehen die feudalen Altbaufenster nicht mehr zu. Der Pressesprecher hat hingegen schon Erfahrung mit dem Gebäude an der Ringstraße und hilft aus. Die Maske nimmt Rauch erst nach dem Interview für ein paar Fotos kurz ab.

 

Warum herrscht im Ministerium noch Maskenpflicht?

Vorsichtsmaßnahme. Hier gehen täglich viele Leute aus und ein, darunter auch Risikogruppen.

 

Braucht es diese Vorsicht auch in anderen Bereichen wieder mehr?

Vorsicht ist immer ein guter Ratgeber.

 

An Ihrem zweiten Amtstag gab es fast 50.000 Infektionen und gleichzeitig haben Sie die Impfpflicht auf Eis gelegt. Wie geht es Ihnen damit?

Das war natürlich ein Kaltstart der Sonderklasse. So hohe Infektionszahlen sind nichts, was zur Beruhigung des Gesundheitsministers beiträgt. Aber wir sehen trotz der hohen Fallzahlen weitgehend stabile Zahlen in den Spitälern. Wir müssen auf eine mögliche andere Herbstvariante vorbereitet sein.

 

Kommt der Öffnungsschritt nicht zu früh?

Der Zeitpunkt für Öffnungsschritte sollte eigentlich, so paradox sich das anhört, eher am Höhepunkt mit einer sich abzeichnenden Abwärtskurve passieren. Denn wenn die Zahlen ganz unten sind, ist man eigentlich schon wieder zu spät dran. Wichtig ist es jetzt, die Kennwerte genau im Auge zu behalten. Wir werden entschlossen reagieren, falls sich hier negative Entwicklungen für die Gesundheitsversorgung abzeichnen.

 

Wie schützt man ohne Impfpflicht für Gesundheitsberufe – sie war im November schon angedacht – vulnerable Gruppen, und ist sie für die Zukunft doch angedacht?

Wenn etwas verordnet wird, muss es klar und nachvollziehbar sein. Das ist mein oberstes Anliegen. Die Leute müssen verstehen, warum man das macht. Ich möchte ein Verständnis dafür schaffen, dass Pandemiebekämpfung keine Aneinanderreihung von Einzelmaßnahmen ist.

 

Das ist ja nicht nur bei Covid Thema. Es gab Fälle, in denen etwa krebskranke Kinder von Gesundheitspersonal mit Masern angesteckt wurden. 

Wenn sich am Ende des Tages herausstellt, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist, kann man sich das überlegen. Aber Stand heute würde ich bei der Impfpflicht nicht partikular herumschrauben. Jetzt stehen wir aber vor der Herausforderung zu entscheiden, wie wir mit dem Testen und der Absonderung weitertun. Aber glauben Sie mir, ich verstehe jede an Krebs erkrankte Person aufgrund meiner eigenen Geschichte. Ich habe selbst ein Jahr lang Chemotherapie am eigenen Leib erlebt – mit allen Nebenwirkungen. Da war auch ich in meiner ganz eigenen Welt, nur besorgt um mein Überleben. Mir ist das nicht egal. Aber ich muss als Gesundheitsminister auch einen Ausgleich finden für eine gesellschaftliche Akzeptanz der Maßnahmen.

 

Kann man angesichts der hohen Infektionszahlen wirklich die Gratistests abschaffen?

Ich weiß, es sollte nun eine präzise Aussage folgen mit Ja oder Nein. Nächste Woche. Ich bin schon dabei, genau das zu prüfen und vorzubereiten. Wir werden einen Weg finden, nicht alles in Bausch und Bogen in die Tonne zu treten, was wir jetzt haben. Auch der Austausch mit dem Kollegen Martin Polaschek im Bildungsministerium bezüglich Schulen läuft.

 

Wie groß, denken Sie, ist das Vertrauen der Bevölkerung in das Pandemiemanagement der Regierung?

Das Vertrauen ist nicht super. Das wird auch mein Job sein, das wieder zu erringen.

 

Sie twittern noch selbst, und das regelmäßig. Sie lassen sich im Internet auf Diskussionen ein. Werden Sie das weiter so handhaben?

Ich muss für die Menschen erreichbar sein. Das beinhaltet auch Dialog, selbst wenn es schwierig ist. Bei mir wird es keine Pressekonferenzen geben, bei denen keine Fragen zugelassen sind.

 

Hilft Ihnen im neuen Job die jahrzehntelange Vernetzung mit den Landeshauptleuten?

Möglicherweise ja. In vielen Bereichen, etwa bei der Pflege, wird es nur gemeinsam mit den Ländern gehen. Ich weiß, wie viele Runden man da drehen muss, um zu Ergebnissen zu kommen. Aber diesen Aufwand muss man betreiben, weil die österreichische Verfassung ist, wie sie ist.

Was hat für Sie im Bereich der Pflegereform Priorität?

Ich weiß schon, es sind auch hier Ansagen gefragt. Das mache ich aber nicht. Denn die Erwartungshaltung ist in diesem Bereich, mit Recht, sehr hoch. Die Probleme sind drängend, und zwar seit vielen Jahren. Die Leute, die darin tätig sind, haben es satt. Es steht auf meiner Agenda ganz oben. Ja, es wird mehr Geld brauchen, die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden, es muss der Beruf wieder attraktiv gemacht werden. Es wird noch heuer in ersten Etappen etwas umgesetzt werden.

 

Auf Ihre Ressorts kommen Ausgaben zu, die bei den Koalitionsverhandlungen unvorhersehbar waren. Ist eine Budgetaufstockung für Gesundheit und Soziales realistisch?

Es war jetzt möglich, in der Pandemie 37 Milliarden Euro an Unterstützungsleistungen und Hilfsmaßnahmen locker zu machen. Das war vor fünf Jahren jenseits des Vorstellbaren. Eine durchschnittliche Steuerreform hatte ein Volumen von fünf Milliarden Euro – und da hat man schon Kopfstände gemacht. Da wird es doch möglich sein, die Mittel aufzubringen, um die Folgen der Pandemie – die nicht nur gesundheitliche, sondern auch soziale sind – ganz klar abzufedern.

 

Wir haben Ihnen ein Foto aus 2001 mitgebracht, von einem VN-Interview mit Alexander Van der Bellen. Hätten Sie sich gedacht, dass Sie beide heute auf diesen Posten sind?

Das war Thema bei der Angelobung. Nie im Leben hätte ich daran gedacht, dass wir zwei uns einmal in diesem Setting treffen.

 

Werden Sie Van der Bellen beim Bundespräsidentenwahlkampf unterstützen?

(Pause) Wird er kandidieren?

 

Wird er kandidieren?

Fragen Sie ihn.

 

In Vorarlberg wird gefragt: Warum tun Sie sich das noch an?

Es gibt ja Leute, die kondolieren mir zu meinem Amt. Das ist nicht mein Zugang. Ich tu mir nichts an. Wenn ich einen Job mache, dann mit ganzer Energie. 

Minister Johannes Rauch im Gespräch mit VN-Innenpolitik-Leiterin Julia Schilly. Christoph liebentritt
Minister Johannes Rauch im Gespräch mit VN-Innenpolitik-Leiterin Julia Schilly. Christoph liebentritt