Jürgen Weiss

Kommentar

Jürgen Weiss

Klare Weichenstellung

Vorarlberg / 25.04.2022 • 18:33 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Als kürzlich in Laa an der Thaya ein Soldatenfriedhof der Sowjetarmee (auf dem übrigens der Großvater des auch hierzulande bekannten Oligarchen Deripaska begraben ist) beschmiert wurde, hat die russische Botschaft gegen einen solchen Vandalenakt heftig protestiert – zu Recht. So etwas liegt auf einer Ebene mit Anfeindungen gegen unter uns lebende Russinnen und Russen ohne jegliche Sympathie für Putin oder mit der Dummheit, klassische Werke russischer Komponisten aus einem Konzertprogramm zu streichen. Dazu gehört aber andererseits auch, dass die ukrainische Botschaft in Wien ein Benefizkonzert für ukrainische Musikerinnen und Musiker offenkundig deshalb hintertrieben hat, weil das Orchester bisher finanzielle Unterstützung einer russischen Bank bekam. Von einer Selbstkritik der russischen Botschaft an dem Vorgehen der russischen Armee in der Ukraine war bisher allerdings nichts zu hören – der Begriff Vandalismus wäre da auch eine maßlose Untertreibung.

Zerknirscht geben sich führende europäische Politiker, weil sie sich in Putin getäuscht hätten. Allerdings hat man bereits vor acht Jahren nach der Besetzung der Krim sehen können, wohin die Reise geht. Der europäische Vordenker Otto von Habsburg hat schon 2003 bei einem Vortrag in Bregenz den Aufstieg Putins kritisch analysiert und vor einer Entwicklung gewarnt, die man mit dem Untergang Hitlers als überwunden glaubte. Neuerdings ist vermehrt die Meinung zu hören, die Ukraine solle zur Vermeidung weiteren Blutvergießens doch einfach die besonders umkämpften östlichen und südlichen Landesteile Russland überlassen und sich künftig für neutral erklären. Das versteht Putin natürlich als unbewaffnete Neutralität und lässt die Frage offen, wer die Ukraine künftig vor ihm schützen würde. Eine Neutralität nach österreichischem Vorbild und militärischer Ausstattung wäre angesichts der geografischen Lage der Ukraine wohl kein gutes Vorbild. Man darf auch nicht ausblenden, welche Vision der frühere Präsident Medwedew und einflussreiche nationalistische Ideologen verfolgen: ein eurasischer Kontinent unter russischer Führung von Porto am Atlantik bis Wladiwostok am Pazifik.

Frankreich stand am Sonntag vor einer Zäsur von europäischer Bedeutung. Der britische Austritt aus der EU und die rechtsstaatlichen Alleingänge von Ungarn und Polen waren für die Sicherheit Europas von wesentlich geringerer Bedeutung gegenüber dem, was ein Wahlerfolg Le Pens in einer der beiden europäischen Kernnationen bedeutet hätte. Nicht nur, dass sie eine jahrelange Anhängerin Putins ist, ihr politisches Programm hätte die EU sicherheitspolitisch maßgeblich geschwächt. Während Putin wohl damit nicht gerechnet hatte, die EU stärker denn je zusammenzuschweißen, hätte sie Le Pen von innen heraus gesprengt. Merci France für diese klare Weichenstellung.

„Man hatte bereits früher sehen können, wohin die Reise geht.“

Jürgen Weiss

juergen.weiss@vn.at

Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.