Zerbrechende Zähne und leidende Kinder

MIH: So nennt sich eine unheilbare Zahnkrankheit, die immer mehr junge Opfer kennt und Eltern verzweifeln lässt.
Hohenems Pyry ist tapfer. In der Hohenemser Kinderzahnarztpraxis von Dr. Veronika Vilimek weiß er ja mittlerweile schon, was auf ihn zukommt. Es ist für ihn wieder Zeit für die Anbringung eine Schutzschicht auf seine porösen Zähne. Wenn notwendig gibt es auch Füllungen. Pyry leidet an MIH, Kürzel für den Fachbegriff Molare Inzisiven-Hypomineralisation. „Allgemein verständlich ausgedrückt spricht man von Kreidezähnen“, erklärt Dr. Vilimek. Das bedeutet: Den Kindern brechen sowohl ihre Milch- als auch ihren bleibenden Zähne immer wieder. Es entstehen Löcher, die permanent behandelt werden müssen. Diesen Defekt gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen.
Substanzdefekt
Bei Pyry ist zwar der Substanzdefekt bei den Zähnen nicht so massiv, dafür hat er oft Schmerzen. „Wenn ich ein Eis esse, oder nach dem Zähneputzen spüle, tut es mir schon sehr weh“, erzählt der Bub. Je mehr von der Schutzschicht wieder weg ist, desto stärker werden die Schmerzen. „Wir wussten ja lange nicht, was Pyry hat. Bei einem anderen Zahnarzt wurden wir sogar einmal rausgeschmissen, weil er vor Schmerzen so geschrien hat. Bei Dr. Vilimek sind wir jetzt seit dreieinhalb Jahren, und wir wissen, was los ist“, sagt Pyrys Mutter Kirsi Haavisto. Die Ungewissheit plagte Pyrys Eltern lange. „Pyry hat gesund gegessen und seine Zähne regelmäßig geputzt. Für uns war das alles unerklärlich“, beschreibt Stiefvater Karsten Moses das Leiden der Eltern.
Nicht zu beheben
Veronika Vilimek kennt solche Leidensgeschichten. „MIH hat verschiedenste Gesichter. Bei einigen gibt es nur eine Verfärbung der Zähne, mit oder ohne Schmerzen. Andere haben einen starken Substanzdefekt ohne Schmerzen. Dann gibt es solche mit weniger starkem Substanzdefekt, dafür starken Schmerzen, oder die schlimmste Variante: starker Substanzdefekt, starke Schmerzen.“ Allen Varianten gemein ist: Der Defekt lässt sich nicht beheben. Erst wenn die jungen Patienten ausgewachsen sind, gibt es so etwas wie eine finale Therapie: Stabile Kronen auf alle angegriffenen Zähne.
Wenig erforscht
Über das immer häufiger entdeckte Phänomen – in Deutschland sind 28,7 Prozent der Kinder betroffen – ist noch wenig bekannt. Forscher der Uni Würzburg haben mögliche Ursachen für MIH ausgemacht. Diese reichen von Sauerstoffmangel bei der Geburt, über Folgen einer Frühgeburt, die Folge eines Kaiserschnitts bis hin zu Auswirkungen von Atemwegserkrankungen, antibiotischer oder antiasmathischer Medikation im Alter von null bis vier Jahren. Auch die Folgen des Kontakts mit Mikroplastik im Trinkwasser wurde als mögliche Ursache genannt. Bekannt ist: Die Krankheit entwickelt sich im Zeitraum vom letzten Schwangerschaftsviertel bis zum dritten Lebensjahr.
Für die Kinder bedeutet MIH permanente Schmerzen und die Dauerpräsenz in Zahnarztpraxen. Viele von ihnen werden auch wegen der Verfärbung ihrer Zähne in der Schule gehänselt.
Pyry, der Tapfere, der einmal Schriftsteller werden möchte, hat seinem Schicksal erfolgreich den Kampf angesagt.
„Erst wenn die Kinder ausgewachsen sind, können fixe Kronen angebracht werden.“

Dr. Veronika Vilimekt erkennt das Unheil.
