Monika und ihre Begegnungen mit dem Tod

Monika schloss mit dem Tod Bekanntschaft. Nach einem Nahtoderlebnis fürchtet sie ihn nicht mehr.
Monika hat schon viel erlitten in ihrem 65-jährigen Leben. Am schlimmsten traf sie aber der Verlust der Eltern. „Da ging ein Teil von mir mit.“ Die Vorarlbergerin hatte gute Eltern. „Man hätte sie in Gold einfassen können.“ Ihr Vater starb, als sie 19 war, zehn Jahre später ging ihre Mutter für immer. „Mama war mein Ein und Alles.“ Als sie starb, begann Monika zu kränkeln. Unter anderem plagten sie starke Verspannungen im Rücken und in den Armen. Ein Arzt behandelte sie mit Kortison, gab ihr eine Spritze. Die Auswirkungen waren dramatisch. Monika wurde bewusstlos. „Auf einmal fand ich mich in einem schneeweißen Tunnel wieder. Ich schwebte durch ihn hindurch und fühlte mich unglaublich leicht. Am Ausgang des Tunnels sah ich eine helle Sonne. Sie bewegte sich sehr schnell, wie ein Kreisel. Genau davor blieb ich stehen. Ich wehrte mich dagegen, aus dem Tunnel zu gehen.“
Klinisch tot
Zu Hause kam Monika wieder zu sich. Ihr Mann Lorenz hatte sie nach Hause gebracht. Aber ihr Zustand war äußerst besorgniserregend. „Das Bett wackelte, so schüttelte es mich.“ Ihr Ehemann brachte sie ins Spital. Dort rettete man ihr Leben. „Der Arzt sagte mir, dass ich einen Kortisonschock erlitten hätte. Dieser sei normalerweise tödlich. Als ich ihm von meinem Tunnelerlebnis erzählte, meinte er, dass ich vermutlich klinisch tot gewesen sei. Er glaubte auch, dass ich nicht überlebt hätte, wenn ich aus dem Tunnel gegangen wäre.“ Monika glaubt zu wissen, warum sie anhielt. „Wegen der Familie, ich hätte drei kleine Kinder hinterlassen.“ Dieses Erlebnis hat die sechsfache Großmutter bis heute nicht losgelassen. „Es kommt mir immer wieder in den Sinn.“ Die Nahtoderfahrung nahm ihr die Angst vor dem Tod. „Wenn der Tod so ist, dann tut er nicht weh. Dann ist er eigentlich etwas Schönes.“
Jahre später, im Jahr 2003, kam sie wieder in hautnahen Kontakt mit dem Tod. „Er stand neben mir. Er trug einen tiefschwarzen Mantel. Seine Nase war lang und spitz. Ich sah ihn bloß von der Seite. Er drehte sich nicht zu mir her.“ Aber was war passiert? Ein Eiterzahn machte Monika zu schaffen. Die Ärzte verschrieben ihr ein Antibiotikum. „Eine Woche lang nahm ich Penicillin ein. Ich bekam Durchfall und musste mich erbrechen.“ Richtig ernst wurde es, als sie 40 Grad Fieber und einen stark geschwollenen Bauch bekam. „Am Karfreitag brachte man mich mit Blaulicht ins Spital.“ Monika wurde notoperiert. „Man schnitt mir den Bauch auf. Da sahen die Ärzte, dass in der Lunge und im Bauch Wasser war. Das Penicillin hatte bei mir einen allergischen Schock ausgelöst und den Darm vergiftet.“ Nach der OP kam sie auf die Intensivstation. „Mein Leben stand auf der Kippe. Ich wurde in künstlichen Tiefschlaf versetzt.“ Im Koma widerfuhr ihr Seltsames. „Ich schwebte mit dem Bett in der Luft, fühlte mich leicht und schaute auf die Ärzte hinunter. Als ich mich auf die Seite drehte, war der Tod neben mir.“ Nach sechs Tagen schlug sie die Augen auf. „Ich sah die Maschinen und die Schläuche um mich herum. Das beelendete mich so, dass ich eine Viertelstunde lang nur weinte.“
Jeden Tag Schmerzen
Die Frau war an einem absoluten Tiefpunkt angelangt. „Ich war nur noch Haut und Knochen und zu schwach, um einen Schritt zu gehen.“ Nach zehn Tagen wurde sie auf die Normalstation verlegt. An diesem Tag bekam sie Besuch von einem jungen Mann, der ein Bekannter ihrer Tochter war. „Er brachte mir eine wunderschöne Wandermuttergottes mit und bat mich, sie so lange zu behalten, bis es mir wieder besser geht. Ich war so gerührt, dass ich weinen musste. Ich musste die Muttergottes immer anschauen.“
Es ging lange nicht aufwärts mit Monika. „Ich war einen Monat im Krankenhaus. Als ich bei der Entlassung meine Sachen zusammenpackte, strengte mich das enorm an. Ich schwitzte so stark, dass sich am Boden eine Wasserlacke bildete.“ Ihre Familie schaffte es jedoch, sie aufzupäppeln.
“Ich hatte über Monate jeden Tag Schmerzen. Das war die Hölle. Ich dachte mir: ,Schlimmer kann es nicht mehr kommen.'”
Monika
Aber kaum war sie genesen, wartete die nächste Herausforderung auf sie. „1997 hatte man mir die Schilddrüse entnommen. Bei der OP wurden die Stimmbänder verletzt. Das hatte zur Folge, dass ich dauernd zu wenig Luft bekam. Es bestand die Gefahr, dass ich Probleme mit dem Herzen bekomme.“ Deshalb hatten ihr die Ärzte abermals zu einer OP geraten. Im November 2003 war es soweit. „Ein Stimmband wurde entfernt, das andere auf die Seite genäht.“ Die Operation war erfolgreich. „Ich bekam jetzt mehr Luft. Aber ich hatte brutale Schmerzen im Hals- und Brustbereich.“ Monika traute sich nicht, Schmerzmittel einzunehmen. „Ich hatte Angst vor einer neuerlichen Darmvergiftung.“ Die Schmerzen peinigten sie über Monate, Tag für Tag. „Es war die Hölle. Ich dachte mir: ,Schlimmer kann es nicht mehr kommen.‘“ Die leidgeprüfte Frau haderte mit ihrem Schicksal. „Ich fragte mich: ,Weshalb musst du so leiden? Was hast du getan, Monika?‘“
Der Blick der 65-Jährigen schweift nach draußen, zum Apfelbaum im Garten, der in voller Blüte steht. Die adrette Mittsechzigerin kann sich an der Natur nicht sattsehen. „Ich freue mich an allem viel mehr“, möchte sie aufzeigen, dass das Leid, das sie erlitten hat, auch positive Auswirkungen auf ihr Leben hatte und deshalb nicht sinnlos war. Ihre Lebensfreude insgesamt ist größer geworden. „Ich bin froh, dass ich nicht gestorben bin. Ich lebe sehr gerne.“