Soziales Füreinander im Fokus

Vorarlberg / 08.05.2022 • 17:03 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Thomas Hebenstreit: „Noch immer ist es oft Mundpropaganda, die den Ratsuchenden den Weg weist.“BI
Thomas Hebenstreit: „Noch immer ist es oft Mundpropaganda, die den Ratsuchenden den Weg weist.“BI

Thomas Hebenstreit koordiniert die Arbeitsgruppe „Guat alt wära im Muntafu“.

TSCHAGGUNS Thomas Hebenstreit von der PfarrCaritas ist seit Dezember 2020 Koordinator der Arbeitsgruppe „Guat alt wära im Muntafu“. Initiatorinnen dieses wertvollen Projekts waren neben Pfarrer Georg Nigsch Renate Sandrell und Gabriela Neher aus Tschagguns, Monika Dönz-Breuss aus dem Silbertal und Patrizia Barthold vom Bartholomäberg. Durch einen vielseitigen, breit gefächerten Ansatz soll die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen im Montafon gefördert werden. Mittlerweile arbeiten 14 Personen aus sechs Montafoner Gemeinden freiwillig mit. Die Arbeitsgruppe trifft sich circa acht Mal jährlich.

Wie entstand die Initiative „Guat alt wära im Muntafu“?

HEBENSTREIT Auf Initiative des damaligen Pfarrers Georg Nigsch entstand vor drei Jahren großes Interesse, im Montafon zum Thema Demenzfreundliches Montafon etwas zu tun. Er war von diesem Thema durch seine Mutter persönlich betroffen. Aus dieser Initiative hat sich eine große Gruppe von Interessierten gebildet, die gemeinsam mit der PfarrCaritas und der Pfarre zu diesem Thema einiges an Vorarbeit geleistet hat. Die Region Montafon wurde dann in das PfarrCaritas Projekt LE.NA (Lebendige Nachbarschaft) aufgenommen. Zudem engagierte sich der Tschaggunser Bürgermeister Herbert Bitschnau sehr und konnte die Gemeinden Silbertal und Bartholomäberg für das Projekt gewinnen. Unter dem Titel „Guat alt wära im Muntafu“ wurde dann ein Fragebogen entwickelt und dieser in den drei Gemeinden verteilt. Es beteiligten sich immerhin 368 Haushalte an dieser Umfrage, was ein markantes Zeichen für das große Interesse der Menschen an dieser Thematik darstellt.

Was sind die Hauptanliegen dieses sozialen Projekts?

HEBENSTREIT In erster Linie wollen wir alle Menschen in den Montafoner Gemeinden in diesen Prozess des sozialen Füreinanders mit einbeziehen. Eine gut gelebte Nachbarschaft und das Aufeinander-Schauen, wenn Hilfe benötigt wird, ist wichtig. „Guat alt wära“ betrifft alle Generationen. Lebenswert alt werden in der Gemeinde braucht einerseits Eigenverantwortung, aber vor allem sozialen Zusammenhalt mit persönlicher Aufmerksamkeit im näheren Umfeld. Angehörige wissen oft nicht, wohin sie sich konkret wenden sollen, wo sie Hilfe bekommen können – das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Wie können die Menschen für das Thema Alter sensibilisiert werden?

HEBENSTREIT Es gibt zwar ein ausgezeichnetes Netzwerk an sozialen Institutionen, aber noch immer ist es oft Mundpropaganda, die den Ratsuchenden den richtigen Weg weist. Die Bevölkerung soll durch Vorträge und Schulungen für das Thema Alter in seinen verschiedensten Facetten sensibilisiert werden. Ein Hauptziel der Arbeitsgruppe „Guat alt wära“ ist, eine Plattform für die vielen schon gut funktionierenden Institutionen zu schaffen, damit die Betroffenen möglichst einfach Hilfestellung bekommen.

Welche Projekte wurden bereits umgesetzt?

HEBENSTREIT Ich möchte hierzu zwei Projekte im Besonderen erwähnen. Das „Vrzellbänkle“ bietet eine unkomplizierte Begegnungsmöglichkeit, die es mittlerweile in allen Gemeinden des Montafons gibt. Diese „Vrzellbänkle“ sollen die Leute dazu animieren, sich „Zit ne, ahi hökkla und metnand schwätza“. In sechs Gemeinden gab es schon Eröffnungsveranstaltungen, die mit anderen Aktionen verbunden waren. Wenn jemand auf einer dieser Bänke sitzt, signalisiert diese Person, dass sie offen für ein Gespräch und eine Begegnung mit anderen ist, um zu plaudern, zu erzählen und Neuigkeiten auszutauschen. Wir haben dazu schon viele positive Rückmeldungen erhalten. Früher waren die Bänke vor den Häusern keine Seltenheit, durch diese Aktion wird diese Begegnungsform wiederbelebt.

Worin bestand das zweite Projekt?

HEBENSTREIT Im Frühjahr 2021 organisierten wir an fünf Abenden im Sternensaal in Schruns eine Besuchsdienstschulung. Themen wie „Jeder Besuch ist ein Geschenk“, „Alter als spirituelle Aufgabe“, „Kommunikation – Damit Begegnung zur Freude wird“, „Umgang mit Veränderungen im Alter“ und einen Informationsabend über die Angebote des Krankenpflegevereins Außermontafon begeisterten die Teilnehmer, die sich dadurch besser auf derartige Besuche vorbereiten konnten.

Das Thema Vernetzung spielt bei den Projekten eine wichtige Rolle.

HEBENSTREIT Wir sind für alle Initiativen, Vereine, Pfarren und Gemeinden offen. Die Freiwilligen selbst sind schon in anderen Bereichen engagiert und bringen ihre Kontakte mit ein. Besonders erfreulich ist, dass wir eben durch das „Vrzellbänkle“ alle zehn Montafoner Gemeinden mit ins Boot holen konnten. Eine weitere Kooperation ist für den Herbst mit den Montafon Museen und dem Stand Montafon geplant. Im Rahmen dieses Projekts erzählen Montafoner von ihrem Leben, und zwar nicht ältere Menschen, sondern auch solche, die in den Bereichen Kultur, Landwirtschaft, Tourismus, Sozialem und noch vielem mehr tätig sind und über großes Wissen und Engagement verfügen. Diese Personen wollen wir für dieses Projekt gewinnen. Die jeweiligen Narrative werden sodann in Interviews dokumentiert und aufgearbeitet. Es soll auch eine Verbindung von alten und jungen Menschen abgebildet und generell auf das Thema „alt wära“ aufmerksam gemacht und Bewusstsein geschaffen werden.

Am 18. Mai ist in der Rätikonhalle in Vandans ein Vortrag geplant …

HEBENSTREIT Ja, dabei geht es um die Pflege und Betreuung daheim und um Fragen wie zum Beispiel: Wie kann diese gelingen und was brauche ich dafür? Christiane Massimo vom Bildungshaus Batschuns ist Expertin auf diesem Gebiet und an diesem Abend Vortragende. Dort gibt es auch Infotische mit wichtigen Informationen über die Möglichkeiten im Montafon. BI

Zur Person

Thomas Hebenstreit

Geboren 21. Juli 1970

Familie verheiratet mit Christine, vier Kinder (14, 16, 18 und 21 Jahre)

Wohnort Bludesch

Werdegang Acht Jahre bei der Österreichischen Post, Ausbildung zum Heilpädagogischen Fachbetreuer an der LHB Götzis, sieben Jahre Stiftung Jupident Schlins, insgesamt acht Jahre Caritas Vorarlberg, 14 Jahre Institut für Sozialdienste, seit Dezember 2020 bei der PfarrCaritas

Hobbys Pfarrliches Engagement, Lesen, Musik, Freundschaften pflegen, Familie, Bewegung in der Natur

Lebensmotto Nicht stehenbleiben, sondern sich weiterentwickeln.