Jürgen Weiss

Kommentar

Jürgen Weiss

Schritt vorwärts

Vorarlberg / 09.05.2022 • 19:04 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Stress kann ungeahnte Kräfte mobilisieren. Das ist auch dabei zu beobachten, wie zügig nach der Diskussion über die Finanzgebarung des Vorarlberger Wirtschaftsbundes und seine Zahlungen an die ÖVP die Regierungsparteien eine Neuregelung der Parteienfinanzierung auf den Weg brachten. Neben klaren Vorschriften für gläserne Parteikassen hat sie einen zweiten Schwerpunkt, eine strenge und für alle Parteien gleiche Begrenzung der Wahlwerbekosten. Das dient auch dem eigenen Schutz vor schwer finanzierbaren Kostenspiralen und führt zu einem fairen Wettbewerb der besseren Ideen, nicht des meisten Geldes. Das ist ein beispielgebender Schritt vorwärts.

Auch im Nationalrat wird an einer Neuregelung der Parteienfinanzierung gearbeitet. Auf zwei Probleme dabei hat an dieser Stelle bereits Peter Bußjäger hingewiesen: Ein in der Bundesverfassung verankerter Rechtsanspruch der Parteien auf Finanzierung aus dem Budget ist eine unnötige Extrawurst, und das Verbot, Spenden über 7500 Euro annehmen zu dürfen, bremst neue politische Gruppen von vornherein aus. Alles zusammen führt das zu einer Konzentration der Parteienfinanzierung auf Steuermittel. Die Parteien werden damit von ihren Mitgliedsbeiträgen unabhängig und verselbstständigen sich. Darunter wird natürlich auch die innerparteiliche Demokratie leiden.

Auch noch so ausgetüftelte Gesetze werden aber nicht alles regeln können. Was ist beispielsweise eine einer Partei nahestehende Organisation? Bei der Jungen ÖVP und bei den Kinderfreunden der SPÖ ist der Fall klar, sie sind im Parteistatut verankert. Beim Pensionistenverband ist das schon sehr zweifelhaft, für das Scharnier zur SPÖ wurde ein eigener Verein gegründet. Oder wer hindert jemanden daran, aus eigner Initiative und mit eigenen Mitteln in größerer Zahl Bekannte zu einem Kennenlern-Frühstück mit einem Landtagskandidaten einzuladen? Und wie ist es mit der Idee, die zeitliche Begrenzung der Wahlwerbung dadurch zu umgehen, dass mit einem Volksbegehren ein für die Partei wichtiges Thema gepusht wird, wofür natürlich auch Werbung gemacht werden muss. Also Volksbegehrenswerbung statt Wahlwerbung. In Wien steht bald der frühere grüne Stadtrat Chorherr vor Gericht, weil er zwar nicht für sich selbst oder die Grünen, sondern für einen von ihm geleiteten Verein unstatthafte Zahlungen angenommen haben soll. Wenn ein Politiker als Obmann für seinen Verein Geldmittel beschafft, ist das ja, wenn man nicht gerade vor Gericht landet, durchaus imagefördernd.

Man sieht ganz deutlich: Gesetzliche Regeln können nicht alles regeln. An völliger Transparenz, an einer kritischen Öffentlichkeit und vor allem an schlichter Anständigkeit führt kein Weg vorbei. Ihr Fehlen zu bestrafen, haben die Wählerinnen und Wähler in der Hand.

„Gesetzliche Regeln können nicht alles regeln.“

Jürgen Weiss

juergen.weiss@vn.at

Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.