Aufbruch mit Risiko
Bei der Nummer 13 scheidet sich der Aberglaube, ob sie Glück oder Unglück bedeutet. Der Rücktritt von Elisabeth Köstinger führte zur 13. Neubesetzung im Kabinett Kurz, dem längst der Namensgeber abhanden gekommen ist. Dem überraschenden, wenn auch nicht unerwarteten Abgang der Landwirtschaftsministerin folgte die glücklose Margarethe Schramböck im Wirtschaftsministerium, und so nutzt Karl Nehammer die Chance, nicht nur neue Köpfe zu präsentieren, sondern auch die Ministerien neu zu organisieren.
Ob sich der Bundeskanzler den Zeitpunkt so gewählt hätte? Wohl kaum. Am Parteitag kommenden Samstag in Graz wird er die Aufmerksamkeit mit seinen Neuen im Team teilen. Aber immer noch besser als mit seinem Vorgänger Sebastian Kurz, von dessen türkisem Politikstil er sich emanzipieren muss. Gleichzeitig kehrt die alte Quadratur der schwarzen ÖVP zurück: Zwei Neue aus Tirol, eine aus Niederösterreich – nicht zufällig ÖVP-Kernländer im Vorwahlkampf. Je einmal Bauernbund und Junge ÖVP als Gegengewicht zur eigenen Herkunft des Kanzlers aus dem ÖAAB. Als Sahnehäubchen noch der Sozialpartner Wirtschaftskammer wie zur besten Zeit der Großen Koalition. Einzig die Frauenquote blieb unberücksichtigt.
„Nehammer muss sich vom türkisen Politikstil emanzipieren. Gleichzeitig kehrt die alte Quadratur der schwarzen ÖVP zurück.“
Als Wunderwaffe gilt offensichtlich Martin Kocher, der als Experte mit Parteiferne in der Bevölkerung großes Vertrauen genießt. Dass der neue Superwirtschaftsarbeitsminister die Interessen der Unternehmer mit jenen der Arbeitnehmer unter einen Hut bringen kann, muss er erst beweisen. Das Misstrauen der SPÖ stets im Nacken. Um die ÖVP aus ihrem Umfrage- und Imagetief herauszuführen, braucht Nehammer jedoch neben neuen Köpfen inhaltliche Ansagen und Visionen. Sein Anspruch, wieder mehr „Volks“partei zu sein, darf sich nicht in harmlosen Allgemeinsätzen und breiten Gießkannenförderungen erschöpfen. Gegen die vom ihm ständig kritisierte Respektlosigkeit in der Politik muss er als Chef für mehr Vorbildwirkung seiner Partei sorgen.
Am Parteitag muss Nehammer endlich inhaltliche Pflöcke einschlagen. Die großen Themen liegen auf der Hand: Sicherheit, Teuerung, Klima, demografischer Wandel und Gerechtigkeit. Für das Vertrauen der Bevölkerung und des Koalitionspartners braucht es kurzfristig mehr Korruptionsbekämpfung und Transparenz sowie Unterstützung des grünen Ministers beim Pandemiemanagement. Doch selbst wenn Nehammer alles gelingt: Ständige Bedrohung bleiben die Ermittlungen gegen die Partei auf allen Ebenen. Die Handlungsfähigkeit von Türkis-Grün steht heute in Vorarlberg wegen des Misstrauensvotums und der neuen Vorwürfe gegen Landeshauptmann Wallner vor einer harten Bewährungsprobe. Nicht alles für sein Glück hat Nehammer selbst in der Hand.
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