Alles neu

„Alles neu macht der Mai“, so singt ein bekanntes Volkslied. Diese Zeile könnte als Überschrift stehen über den Lesungen des morgigen Sonntags. Wie gut passt das in die Jahreszeit! Überall erscheinen neue Triebe, Pflanzen blühen auf, die Menschen legen sich eine neue Frühjahrsgarderobe zu. Spielt da auch der Glaube mit?
Das neue Leben von Ostern
In unseren Breitengraden haben wir das Glück, dass Ostern in den Frühling fällt. Nicht der Frühling bildet in unserem Glauben den Hintergrund für die Botschaft, dass alles neu wird, sondern die Auferstehung Christi, die wir in diesen Tagen bis Pfingsten feiern. Er ist durch den Tod in das neue Leben hindurchgegangen und verspricht auch uns, dass wir ihm auf diesem Weg folgen dürfen.
Verkaufsschlager: „Neu“
Wir Menschen haben wohl alle eine tiefe Sehnsucht nach einer neuen Welt, nach neuen Beziehungen, nach einer neuen Gerechtigkeit, die wirklich niemanden ausschließt und von Dauer ist. Das Neue fasziniert uns einfach, das wissen auch die Werbepsychologen, die einen Verkaufshit erwarten, wenn sie eine Ware mit dem Schild „Neu“ versehen. Was neu ist, muss doch einfach besser sein als das Bisherige! So sollte man wenigstens glauben.
Die neue Welt
Wie ein Blick in den Himmel liest sich auch die zweite Lesung. Sie ist der Offenbarung des Johannes entnommen. Wie schön wäre das: keine Tränen, keine Trauer, keine Mühsal mehr, und das für immer! Gerade wenn der Alltag belastend ist und die Zeiten schwierig sind, wird die Sehnsucht nach einem solchen Leben spürbarer. Es ist uns allen versprochen, nicht weil wir es verdienen könnten, sondern weil der auferstandene Christus es allen schenken will, die ihm im Glauben folgen.
Das Schönste kommt noch
In der Begleitung alter und sterbender Menschen merke ich oft, wie viel leichter es solche haben, die am Abend ihres Lebens nicht nur zurückschauen, sondern zugleich vorausblicken können. Sie erwarten eine neue Welt, die immer näher kommt, ja an deren Schwelle sie bereits stehen. Sie dürfen sich denken: das Schönste kommt noch! Und das strahlt sogar durch den Tod hindurch bis in ihre oft mühsame Gegenwart.
Das neue Leben hier und jetzt
Aber ist das nicht eine Vertröstung, die uns davon ablenkt, uns in der Gegenwart für eine bessere Zukunft einzusetzen? Das Evangelium spricht da eine deutliche Sprache. Die neue Welt beginnt nicht erst nach dem Tod, schon heute darf und soll sie dort aufstrahlen, wo sich Menschen auf die Botschaft Jesu einlassen. „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe“, fordert uns der Herr heute im Evangelium auf. Er hat uns geliebt bis in den Tod, er hat keinen Menschen verurteilt und aufgegeben, selbst die nicht, die ihn gekreuzigt haben. Sind wir fähig, eine solche Liebe zu verwirklichen? Sicher nicht aus unserer eigenen Kraft. Das merken wir spätestens dann, wenn wir Menschen begegnen, mit denen wir uns schwertun. Was sollen wir dann tun? Das heutige Evangelium ist auch insofern eine frohe Botschaft, als es nicht nur die Richtung zeigt, in die wir gehen sollen, sondern uns auch die Kraftquelle weist, an die wir uns halten können: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ Das heißt ja nicht nur, dass wir selbst dasselbe tun sollen, was Jesus getan hat, sondern dass wir unser Leben mit ihm, in Verbundenheit mit ihm und im Glauben an seine Gegenwart gestalten können. Dann wachsen uns Kräfte zu, die nicht mehr von uns stammen, sondern aus dem Leben des Auferstandenen. Es wäre wert, diese Lebensgemeinschaft einmal im Alltag auszuprobieren, das heißt, ihn einfach jeden Tag in unser Leben einzuladen und uns in unseren Entscheidungen auf ihn zu stützen! Vielleicht gehen uns dann die Augen auf für eine ganz neue Dimension unseres Daseins!
