Darum ist die MS Götzis der ideale Ort für ukrainische Kinder

Valeria Rosenberger kann als gebürtige Ukrainerin mit den zwölf Jugendlichen besonders gut.
Götzis. Am Ende sind drei Mädchen enttäuscht. Sie hätten auch gerne ihre Geschichte von der Heimat, ihrer Flucht und über ihre Befindlichkeit erzählt. So wie Dimitri (14), Islata (11) und Illya (14). Letzterer kann gar nicht mehr aufhören, das Schreckliche zu schildern, das er erlebt hat. So als müsse er alles bis ins Detail loswerden, um sich von einem quälenden Ballast zu befreien. “Die Rakete hat in unser Haus eingeschlagen. Gott sei Dank hielten sich alle Bewohner im Gang auf, durch zwei Wände von der Außenfront entfernt. Sonst wäre ich jetzt tot.”

Illya erzählt vom Freund, der in der Nachbarschaft tatsächlich getötet wurde, vom unermesslichen Leid von dessen Eltern, von seinem Bruder, der einen schweren Schock erlitten hatte, vom Auto seines Vaters, das sie gerade aufsuchen wollten, ehe es ebenfalls von einem Geschoss zerstört wurde. Illya stammt aus Tschugujev nahe Charkiv, einem der ersten strategischen Ziele der Russen.
Nacht im Keller der Schule
Islata gesteht, dass sie so schnell wie möglich wieder in ihre Heimat nach Kiew zurückkehren möchte. Über die ukrainische Community in Vorarlberg hinaus hat sie noch kaum Vorarlberger Freude gewonnen. Geflohen ist sie mit ihrer Mutter und ihrer dreijährigen Schwester bereits am zweiten Kriegstag. “Eine Nacht musste ich im Keller der Schule verbringen. Meine Eltern haben sofort verstanden, dass dieser Krieg noch lange dauern wird. Deswegen sind wir gleich mit der Familie meines Cousins geflüchtet. Bevor wir nach Vorarlberg kamen, waren wir zwei Wochen in Polen.” Der Papa ist so wie die meisten Männer zu Hause geblieben. Im Krieg sei er noch nicht, sagt Islata.

Dimitri will nicht reden
Dimitri floh mit seiner Mama, seiner älteren Schwester und dem fünfjährigen Bruder sieben Tage nach Ausbruch des Krieges aus der schwer umkämpften Stadt Charkiv. “Wir fuhren nach Dnipro, hielten uns dort einen Monat auf. Wir hofften, bald wieder zurück nach Hause zu kommen.” Eine Hoffnung, die sich bekanntlich nicht erfüllte. Dimitri möchte über seine Erlebnisse des Kriegsgeschehens nicht sprechen. Er, der von einer Fußballprofikarriere träumt, will am liebsten hier bleiben. Seine Mutter ist Frauenärztin. Ihre Dienste wären in Vorarlberg gefragt, obwohl der Weg zur vollen Anerkennung als Medizinerin ein harter ist.

Musik verstehen alle
Valeria Rosenberger (50) ist als gebürtige Ukrainerin und gelernte Pädagogin die bestmögliche Kontaktperson für die Flüchtlingskinder an der Musikmittelschule Götzis. Deswegen hat sie zum Unterrichten auch die größte Gruppe an einer einzelnen Schule. Sie kennt die Probleme der Kinder, die nicht wissen, wie lange sie in Vorarlberg bleiben und deren Familien zum Teil zerrissen sind.
“Wir überlegen bei uns die Eröffnung einer Flüchtlingsklasse, bis die Kinder halbwegs gut Deutsch können.”
Diese Problematik ist auch Direktorin Gabriele Kröll-Maier bewusst. “Wir überlegen die Eröffnung einer Flüchtlingsklasse. Die meisten Kinder können einfach noch zu wenig Deutsch, um in einer regulären Klasse mitzukommen. Sobald die sprachlichen Kenntnisse ausreichen, werden sie in die normalen Klassen integriert.”

Da einige der Kinder sehr musikalisch sind, befinden sie sich an der Musikmittelschule genau am richtigen Ort. “Die Musik überwindet Sprachbarrieren, bringt die Kinder zusammen. Und die Noten sind ja auch international”, freut sich Musiklehrer Michael Schnetzer.