Asyl in Vorarlberg: Ein neues Leben und steigende Zahlen

2015 floh die syrische Familie vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat. Sie konnten sich in Vorarlberg ein neues Leben aufbauen. Derzeit drängen wieder verstärkt Menschen nach Europa und Vorarlberg.
Bregenz, Feldkirch 16.000 Menschen beantragten in den ersten vier Monaten 2022 Asyl in Österreich, mehr als 2020 insgesamt. Vor allem Afghanen, Syrer und Tunesier hoffen auf ein Bleiberecht. Hinzu kommen Zehntausende Ukrainer, die nicht in die Asylstatistik fallen. Es fehlt an Unterkünften, auch in Vorarlberg (die VN berichteten).
Die Caritas sucht in Vorarlberg händeringend nach Unterkünften, gerade auch für unbegleitete Minderjährige. Und selbst für die 40.022 (Stand Ende April) in der Grundversorgung befindlichen Ukrainer ist die Lage nicht gerade aufbauend, warnt das SOS-Kinderdorf. “Die aktuell massive Unterversorgung von schutzbedürftigen ukrainischen Kindern und ihren Familien in Österreich ist politisch gewollt und damit vollkommen unakzeptabel”, sagt SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer Christian Moser im Vorfeld des Weltflüchtlingstags kommenden Montag.
Ukraine-Flüchtlinge in Vorarlberg
Kriegsvertriebene aus der Ukraine stellen derzeit die Mehrheit der Flüchtlinge. In Vorarlberg sind mit Stand Freitag rund 2780 Menschen als Flüchtlinge registriert. 1657 stammen aus der Ukraine. 254 von ihnen haben Beschäftigungsbewilligungen für heimische Betriebe, informiert Landesrat Christian Gantner. Daneben sind 348 Ukraine-Geflüchtete derzeit beim AMS Vorarlberg vorgemerkt.
Es mehren sich Berichte, dass manche Kriegsvertriebene bereits wieder in ihre ukrainische Heimat zurückkehren. Auch in Vorarlberg bemerke man diese Entwicklung, es handle sich bislang aber nur um vereinzelte Rückreisen, erklärt Gantners Büro. Über die Aktion “Vorarlberg hilft” des Landes Vorarlberg, der Caritas Vorarlberg und der VN wurden bislang 1,869 Millionen Euro für die Hilfe der vom Ukrainekrieg Betroffenen gesammelt.
Eine Familie mit zwei Kindern erhalte in Österreich derzeit 415 Euro im Monat. Ohne private Unterstützung reiche das hinten und vorne nicht. “Mit Schrecken hören wir, dass Kriegsflüchtlinge in andere Länder weiterziehen müssen oder gar an eine für sie gefährliche Rückkehr in die Ukraine denken, weil sie in Österreich nicht die notwendige Unterstützung erfahren”, klagt Moser. Für die Tausenden ehrenamtlichen Helfer sei dieses Wegsehen die reinste Verhöhnung. “Niemand verlässt leichtfertig mit seinen Kindern die Heimat oder schickt sie voraus in eine ungewisse Zukunft. Nicht alle Menschen werden langfristig in Österreich bleiben können. Doch unabhängig von den Umständen gelten Kinderrechte für alle Kinder, die hier leben“, fordert Moser eine bessere Versorgung. CARE Österreich erinnerte am Freitag daran, dass große Flüchtlingskrisen wie in Syrien zuletzt kaum Unterstützung der internationalen Gesellschaft erfahren hätten.
Ein Beispiel mit glücklichem Ausgang
Eine Fluchtgeschichte fand am 1. Juni ihr Ende: Fram Al Habib, seine Frau Najlea Al Bshara und die beiden jugendlichen Kinder sind nun österreichische Staatsbürger. Vor sieben Jahren sind sie vor dem Krieg in Syrien geflüchtet, nun ist der 17-jährige Sohn am Sportgymnasium und Skilehrer, die 15-jährige Tochter ist Oberstufengymnasiastin, Ministrantin und Pfadfinderin.
Dass die Kinder von Fram und Najlea die Integration in ein neues Land so positiv geschafft haben, erklären sie mit ihrer Einstellung: “Für uns war von Anfang an klar: Die Sprache ist die wichtigste Basis, um in einem fremden Land anzukommen. Und dazu gehören nicht nur die Worte, sondern auch die Grammatik”, erklärt die 41-jährige Mutter.
Seit über einem Jahrzehnt tobt der Bürgerkrieg in Syrien. Die umliegenden Länder sind entweder wie der Libanon von den Flüchtlingswellen überfordert, wie der Irak selbst von Unruhen gebeutelt oder wie die Türkei eine der Konfliktparteien im Bürgerkrieg, dessen Ende nicht absehbar ist. Der Westen bietet hingegen Stabilität, Frieden und die Möglichkeit, sich wieder eine Existenz aufzubauen.
Als die Kinder ihre ersten Freunde mit nach Hause brachten, wussten sie, dass Vorarlberg die neue Heimat der Familie ist. Wichtig war aber auch der offene Umgang der Nachbarn und Arbeitskollegen, die das Ankommen erleichtert haben. Die Familie wurde zu Dorf- und Kirchenfesten eingeladen, war im gesellschaftlichen Leben eingebunden. Najlea fand Arbeit bei Getzner Textil, Fram musste, da seine Ausbildung zum Physiotherapeuten nicht anerkannt wurde, eine Ausbildung nachholen und hat nun eine eigene erfolgreiche Praxis in Bludenz.
Traum vom Eigenheim
Da Fram Al Habib anderen Menschen etwas von den vielen positiven Erfahrungen, die er mit seiner Familie gemacht hat, zurückgeben möchte, engagiert er sich als Sozialpate bei der PfarrCaritas. “Vorwiegend besuche ich ältere, einsame Menschen”, erzählt der 47-Jährige. Das Ehepaar ist ehrgeizig und setzt sich für jedes Jahr ein neues Ziel.
Nachdem das große Ziel der Staatsbürgerschaft heuer geschafft wurde, wagt Najlea Al Bshara zu träumen: “Ich würde mir ein eigenes Haus wünschen, damit wir nicht so viel Geld von unserem Einkommen für Miete bezahlen müssten.” Ganz nach dem Vorarlberger Motto “Schaffa, schaffa, Hüsle boua”. Matthias Rauch, mit Material der Caritas Vorarlberg