Nur noch 60 Prozent Katholiken im Land

Vorarlberg / 27.06.2022 • 06:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Nur noch 60 Prozent Katholiken im Land
Paul Zulehner bleibt trotz der großen Rückgänge bemerkenswert gelassen.L. Ilgner

Kirche muss sich mehr denn je über jede Person freuen, die dabei ist, so Theologe Zulehner.

SCHWARZACH Bis in die 1960er Jahre hinein gehörten mehr als 95 Prozent der Menschen in Vorarlberg der römisch-katholischen Kirche an. Dann begann ein steter Rückgang dieses Anteils, der sich zuletzt noch beschleunigte. Zuletzt belief er sich laut Statistik Austria nur noch auf 60,7 Prozent. Gewachsen ist daneben nicht nur die Gruppe der Muslime (auf 12,2 Prozent), sondern viel stärker noch die der Konfessionslosen (auf 18,9 Prozent). Die Entwicklung hängt mit Zuwanderung, vor allem aber der sich ändernden Bedeutung von Religion zusammen, wie der Pastoraltheologe Paul Zulehner im Gespräch mit den VN erläutert.

Keine Frage in der Volkszählung
Bis 2001 wurde die Religionszugehörigkeit im Rahmen der Volkszählung erfasst, die alle zehn Jahre durchgeführt wird. Beim letzten Mal belief sich der Anteil der Katholiken im Land auf 78 Prozent. Muslime waren mit 8,4 Prozent noch etwas zahlreicher als Frauen und Männer ohne Bekenntnis (sechs Prozent). 2011 fiel die Frage bei der Volkszählung weg, daher liegen für dieses Jahr auch keine Angaben vor. 2021 stellte Statistik Austria die Frage erstmals wieder bei einer Mikrozensuserhebung. Bei einer solchen gibt es fast 30.000 Teilnehmer in ganz Österreich.

Die Statistik anders lesen. Nicht von 100 Prozent nach unten, von null Prozent nach oben.“

Der starke Rückgang des Katholiken-Anteils hängt laut Zulehner damit zusammen, dass Religionszugehörigkeit nicht mehr als Schicksal begriffen wird, das ein Leben lang wie selbstverständlich akzeptiert wird: „Die Menschen können wählen. Und das tun sie auch.“ Skandale, wie Missbrauchsaffären in der Kirche, sind seiner Einschätzung nach nicht einmal so entscheidend: „Es würde auch eine Veränderung in den Mitgliederzahlen geben, wenn es überhaupt keine Irritationen geben würde.“ Der Rückgang könnte einem Theologen zu schaffen machen. Zulehner bleibt bemerkenswert gelassen: „Man muss die Statistik anders lesen“, sagt er: „Nicht von oben, also 100 Prozent, nach unten, sondern von null Prozent nach oben. Man muss sich über jede Person freuen, die mitmacht.“ Abgesehen davon sollte sich die Kirche fragen, was sie den Leuten geben kann, so Zulehner: „Darauf kommt es an: Trost bringen, die Welt weiten und zeigen, dass sie nicht einstürzt, den Himmel öffnen und vermitteln, dass er nicht zu ist.“ Der Trend, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion nicht mehr selbstverständlich ist, trifft auch den Islam: „Das ist ein ganz normaler Modernisierungsstress.“

Nur noch 60 Prozent Katholiken im Land

Die Entwicklungen sind Österreichweit ähnlich. Nur in Wien ist die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Religionszugehörigkeit ganz anders: Dort bilden Menschen ohne Bekenntnis bereits die größte Gruppe (34,1 Prozent). Der Anteil der Katholiken beträgt nur noch 31,8 Prozent. 14,8 Prozent gehören dem Islam an, immerhin 11,2 Prozent der Orthodoxie. In Vorarlberg tun das nur 3,8 Prozent.