Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Der Spalt zwischen Schwarz und Grün

Vorarlberg / 01.07.2022 • 21:36 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Der Haussegen hängt zunehmend schief in der Landesregierung, obwohl der Hausherr krankheitsbedingt abwesend ist. Denn die bis heute ungeklärten Vorgänge rund um den angefragten Handytausch von Markus Wallner haben nicht nur in der Öffentlichkeit viel Vertrauen vernichtet, sondern auch bei der ÖVP leidet das Vertrauen in den grünen Regierungspartner. Nicht erst seit Daniel Zadra die Handy-Lösch-Protokolle angefertigt hat und den Staatsanwalt informierte.

Es gibt mehrere akute Themen: erstens die Bahn. Landesrat Daniel Zadra hat alle Schienenagenden in Händen. Auch jene Studie, die sehr zu seinem Ärger vorab den Weg an die frische Luft gefunden hat. Die bisher bekannten Auszüge der Präsentation lassen keinen Zweifel daran, dass die Berater der ÖBB eine unterirdische Schienenvariante am Bregenzer Seeufer für recht unrealistisch halten. Klar: am billigsten ist es für die ÖBB, oberirdisch ein zweites Gleispaar zu verlegen. Das Bild in den Köpfen der Menschen, dass dies ausgerechnet auf der frisch herausgeputzten Pipeline passieren könnte, lässt die Wogen hochgehen. Protest formiert sich. Bürger und Bürgermeister ballen empört ihre Fäuste im Sack. Nicht alle behalten Contenance. Was der Landesrat ihnen bei dem nun gecrashten Termin am Montag erzählen will? Er wird sich aus Parteiloyalität kaum gegen die Bahn- und Klimaministerin Leonore Gewessler stellen, die schon bisher keine bekennende Freundin einer Unterflurtrasse in Bregenz war.

Die Grünen – sie haben wohlgemerkt Wahlkampf in der S-Bahn gemacht – müssen mit dem Faktum leben, dass auch drei Jahre nach den als Wahlzuckerl gedachten neuen Bahngarnituren diese weiterhin nicht existieren. Alles, was die ÖBB in den Remisen findet, wird durch Vorarlberg gezogen und geschoben, um irgendwie den Vertrag mit dem Land halbwegs zu erfüllen: doppelstöckige Wiesel-Garnituren aus der Ostregion, CityShuttles – sogar Waggons der Schwechater Flughafen-Schnellverbindung CAT versahen in Vorarlberg ihren Dienst. Nicht auf Schiene sind die im Beschaffungsdebakel versunkenen neuen Nahverkehrszüge, Prestigeobjekt im Wahlkampf.

Unterrichtsminister Martin Polaschek, der sich im Vorarlberg-LIVE-Studio noch selbst einen Zweier als Schulnote gab und sich zwei Tage später in der “Zeit im Bild 2” nicht mehr selbst benoten wollte, begrub den einstimmig im Vorarlberger Landtag beschlossenen Schulversuch einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen. Das empörte längst nicht nur die Grünen. Es braucht einiges, bis Koalitionspartner sich öffentlich auf das im Koalitionsvertrag Vereinbarte hinweisen. Grünen-Chefin Eva Hammerer machte es noch etwas deutlicher: Sie brachte das Koalitionspapier ausgedruckt ins Vorarlberg-LIVE-Studio mit, hielt es in die Kamera. Das ist haarscharf vor dem Vorwurf des Koalitionsbruchs.

Klar: Die Grünen haben ihre Themen mit den Schwarzen. Und die Schwarzen haben ihre Themen mit den Grünen, zusätzlich zu ihren eigenen Themen. Die drei Landesrätinnen und Landesräte Barbara Schöbi-Fink, Martina Rüscher und Marco Tittler, denen wichtige Vertretungsaufgaben zukommen, müssen nun mit den Grünen eine neue Arbeitsebene finden. Eine, die die Koalition über die kommenden Monate bringt.

Gerold Riedmann

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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.

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