Ja zur NATO
Man verkenne die Neutralität, wenn man glaube, dass sie unsere Sicherheit auch in Zukunft gewährleisten werde. Das würde nur funktionieren, wenn sie von allen Staaten respektiert wird. Wie das läuft, wenn das nicht mehr der Fall ist, sehe man bei der Ukraine: Sie sei bei der Verteidigung auf sich allein gestellt. Aus diesem Grund müsse ernsthaft darüber diskutiert werden, so der Politiker A im März. Sein Kollege, der bedeutendere Politiker B, stellte wenige Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine fest: „Das umsichtige Vorgehen der NATO-Staaten verhindert gerade einen Weltkrieg.“
Beim Politiker A handelt es sich um ÖVP-Wehrsprecher Friedrich Ofenauer, beim Politiker B um Bundeskanzler Karl Nehammer, den Chef der Volkspartei. Ihre Aussagen erscheinen insofern bemerkenswert, als sie schlüssig sind, von den beiden heute aber nicht mehr so getätigt werden bzw. Nehammer dieser Woche betonte, dass eine Mitgliedschaft beim nordatlantischen Verteidigungsbündnis keine „Variante des Denkens“ für ihn sei. Getan hat er das absurderweise als Gast beim NATO-Gipfel in Madrid. Mittendrin, aber nicht dabei, sozusagen. Wie Österreich in Europa, wenn es um bedrohte Sicherheit geht.
Die Neutralität bietet keinen Schutz gegenüber einem Aggressor. Besser als Ofenauer hätte man das nicht zum Ausdruck bringen können. Auf der anderen Seite ist die NATO kein offensives Bündnis, das Außenstehende gefährdet. Eindrucksvoller als in den vergangenen Wochen und eben auch von Nehammer dereinst ausgeführt, hätte das nicht bestätigt werden können.
Österreich muss endlich aufwachen und sich einem NATO-Beitritt stellen. Sonst setzt es sich dem Vorwurf aus, den Westen gegenüber dem russischen Präsidenten zu schwächen; nämlich insofern, als es nicht bereit ist, sich mit aller Konsequenz an Abschreckung gegenüber Wladimir Putin und notfalls auch solidarischer Verteidigung anderer freier, demokratischer Staaten zu beteiligen. Womit es sich im Übrigen nur selbst gefährden würde. Irgendwann wäre es im schlimmsten Fall auch an der Reihe.
„Österreich muss endlich aufwachen. Sonst gefährdet es sich letzten Endes selbst.“
Niemand (außer Putin) will einen Angriffskrieg. Es ist wirklich der NATO bzw. den USA, aber auch Mitgliedsländern wie Frankreich und Deutschland zu verdanken, dass die gegenwärtigen Kampfhandlungen bisher nicht über die Ukraine hinausgegangen sind. All dem Gerede von aktiver Neutralitätspolitik, das auch von der SPÖ-Vorsitzenden und möglichen Kanzlerin in spe, Pamela Rendi-Wagner, betrieben wird, stehen keine Taten gegenüber, die ihm einen überzeugenden Wert verleihen würden.
Wenn, dann handelt es sich um Innenpolitik, die die Stimmungslage in der Bevölkerung im Auge hat. Klar: Die Mehrheit ist gegen einen NATO-Beitritt. Das ist nachvollziehbar, weil es Überwindung kostet. Es heißt, die Illusion von einer Insel der Seligen aufzugeben und eine Entwicklung zu akzeptieren, die wehtut. Aufgabe von Regierenden wie Nehammer und irgendwann vielleicht auch Rendi-Wagner ist es aber nicht, zu forcieren, was gefällig ist, sondern Überzeugungsarbeit dafür zu leisten, was notwendig erscheint. Das ist ihr Job.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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