“Die Vorarlberger Kassenbeiträge sind jetzt in Wien”

Vorarlberg / 04.07.2022 • 19:25 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
2018 schaltete die VGKK eine Todesanzeige für sich selbst. Mit der Fusion verlor sie Rücklagen und Handlungsspielraum.
2018 schaltete die VGKK eine Todesanzeige für sich selbst. Mit der Fusion verlor sie Rücklagen und Handlungsspielraum.

Kassenfusion kostete nicht nur Geld, sondern auch Handlungsspielraum.

Schwarzach Die Versicherten hätten mit einer Milliarde Euro von der Fusion der Gebietskrankenkassen zur ÖGK profitieren sollen, versprachen ÖVP und FPÖ im Jahr 2018. Stattdessen brachte die Reform bislang einen Mehraufwand von 215 Millionen Euro. Die Vorarlberger Rücklagen sind weg und der regionale Handlungsspielraum auch, berichtet der einstige VGKK-Obmann Manfred Brunner, heute Landesstellenvorsitzender der ÖGK.

 

Hat sich an den Leistungen etwas verändert?

Die Gebietskrankenkassen haben bereits vor der Fusion begonnen, die Leistungen auf das gleiche Niveau zu bringen. Bereits 20 seien harmonisiert gewesen, aber mittlerweile viele weitere aneinander angepasst worden, erklärt Brunner: „Es ist bisher gelungen, die Harmonisierung ohne Verschlechterung für die Versicherten über die Bühne zu bringen.“

Wurden die Leistungen der SVS (Selbstständige, Bauern) und BVAEB (Beamte, Eisenbahner, Bergbau) mit jener der ÖGK angeglichen?

Nein. Diese Kassen seien von der ÖGK eher weggedriftet, so Brunner. Somit wurde das Ziel gleicher Leistungen für alle Versicherten verfehlt. „Wir wären für eine Kasse für alle Versicherten pro Bundesland gewesen.“ 

 

Blieben die Vorarlberger Beiträge in Vorarlberg?

Nein. Die Vorarlberger Beitragseinnahmen von rund 750 Millionen Euro fließen direkt in die Zentrale. Von dort aus wird das Geld wieder verteilt. Braucht eine Landesstelle zusätzliches Geld, muss sie dieses beantragen und auf eine Genehmigung hoffen, erklärt Brunner.

 

Sind die Rücklagen weg?

Mit der Fusion flossen die Vorarlberger Rücklagen von 33,5 Millionen Euro gänzlich in die Zentrale. 

 

Ist der regionale Handlungsspielraum eingeschränkt?

Absolut, sagt der Vorsitzende der Vorarlberger ÖGK-Landesstelle. Personal- und Budgethoheit fehlten. Ziel der Kassenfusion war es, österreichweit einen Gesamtvertrag inklusive aller Leistungen für die Ärzte auszuhandeln. Noch ist das nicht passiert. Brunner pocht drauf, auf regionale Besonderheiten Rücksicht zu nehmen. Das sei im Bereich der ärztlichen Hilfe vor allem für Vorarlberg aufgrund der Nähe zur Schweiz, zu Liechtenstein und Deutschland wichtig. 

 

Gibt es noch regionalen Spielraum?

Der Innovationsfonds ermöglicht das in kleinem Ausmaß. Über ihn können die Landesstellen Finanzierung für innovative Projekte, wie etwa das Schmerzboard am Krankenhaus Hohenems, beantragen. 

 

Schafft die fehlende Personalhoheit Probleme?

Ja, sagt Brunner. „Die Nachbesetzung einer Stelle im Veranstaltungsmanagement der Landesstelle dauerte 1,5 Jahre, weil nicht klar war, ob uns diese Stelle von der Zentrale zugestanden wird.“ Dieses Hin und Her gebe es bei nahezu allen zu besetzenden Jobs. Generell seien die konzerninternen Abstimmungsprozesse mit der Fusion wahnsinnig aufwendig geworden.

 

Waren Einsparungen von einer Milliarde überhaupt realistisch?

Nein. Das erkannte auch der Rechnungshof, als die ÖVP und FPÖ ihren Gesetzesentwurf vorlegten. Brunner sprach damals von „Lug und Trug“: „Um auf eine Milliarde Euro zu kommen, hätte man die gesamte Verwaltung aller Gebietskrankenkassen drei Mal einsparen müssen.“ Über kurz oder lang seien im Bereich der Beitragsabrechnung und sonstiger Verwaltungsaufgaben kleinere Einsparungen möglich, aber bei Weitem nicht in einst angekündigten Höhen. VN-ebi

„Die konzerninternen Abstimmungsprozesse sind wahnsinnig aufwendig geworden.“

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