„Vorsicht vor der perfekt gestylten Welt!“

Internet und Medien dominieren unser Leben. Doch welchen Einfluss hat das auf junge Menschen?
Bregenz Psychologin Alexandra Kremer arbeitet bei den Kinderdiensten von „aks gesundheit“. Sie unterstützt Familien und Jugendliche beim Bewältigen von Herausforderungen. Gegenüber den VN beantwortete sie Fragen zu Auswirkungen von sozialen Medien auf Jugendliche.
Wir leben in einem Zeitalter, in dem es undenkbar ist, sein Handy und die sozialen Netze nicht zu nutzen. Welche Auswirkungen hat das auf Jugendliche?
Kremer Es stimmt, das Internet gehört mittlerweile ganz selbstverständlich in unserem Alltag dazu. Durch das Smartphone haben wir quasi das Internet in der Tasche – immer und überall griffbereit mit dabei. Über 80 Prozent der Jugendlichen nutzen täglich das Internet. Dies hat auch teils positive Auswirkungen auf die junge Generation. Computerspiele können die räumliche Vorstellung und das abstrakte Denken schulen. Viele Onlineprogramme stellen ein interaktives Wissen bereit, das die Kinder mehr zum Lernen motiviert.
Und was wären die negativen Seiten?
Kremer Diese gibt es besonders, wenn Kinder und Jugendliche sich übermäßig lange im Netz und den sozialen Medien aufhalten. Körperliche und psychische Auswirkungen sind zu beobachten. Kinder und Jugendliche, die sehr häufig das Internet nutzen, haben überdurchschnittlich oft Übergewicht und sind häufiger depressiv, ängstlich und haben ein geringeres Selbstwertgefühl. Bewegung sollte für uns alle so selbstverständlich sein wie Essen, Trinken und Schlafen.
Werden in den Medien wie Instagram und Co. falsche Rollenbilder wiedergegeben, die das Selbstbild junger Menschen prägen?
Kremer In den sozialen Medien wird oft eine perfekt gestylte Welt suggeriert, es werden falsche Vorstellungen von einem normalen Körper und was zu einem erfolgreichen Leben gehört gegeben. Hier sind Kinder und Jugendliche stark beeinflussbar.
Wie werden Jugendliche dabei beeinflusst?
kremer Es gibt Algorithmen, welche im Hintergrund die perfekt auf mich abgestimmte Produkt- und Informationsplatzierung errechnen. Dadurch wird es sehr schwer gemacht, aus der eigenen Blase herauszukommen. Stellen Sie sich ein 13-jähriges Mädchen vor, das sich im Netz für eine Diät interessiert. Kurz darauf werden ihr Videoclips und Werbeprodukte vorgeschlagen, die fragwürdige Ernährungstipps, Diäten und Sportübungen enthalten. Ich habe dies selbst mal aus Interesse ausprobiert. Es ist erschreckend gewesen. Ich habe in kürzester Zeit Videos von teilweise krankhaft untergewichtigen jungen Frauen vorgeschlagen bekommen, welche mir Sportübungen und die leckersten Smoothies vorgestellt haben. Demnach können soziale Netzwerke Essstörungen, Depressionen und ein negatives Selbstbild sehr begünstigen.
Spielt die Fear of Missing Out (FoMO) in den Medien eine bedeutende Rolle?
kremer Fear of Missing Out bedeutet, dass man die Angst verspürt, etwas zu verpassen. Es ist ein Gefühl, dass andere mehr Spaß haben könnten, ein besseres Leben führen oder interessantere Dinge erleben. FoMO umschließt auch das Gefühl von Neid. Obwohl das Phänomen der Fear of Missing Out schon seit Jahrhunderten in der Literatur existiert, wird es durch soziale Netzwerke sehr beschleunigt und verstärkt. Soziale Plattformen im Internet schaffen eine Bühne, um sich zu zeigen. Also ja, FoMO kann stark durch soziale Medien verursacht, aufrechterhalten und verstärkt werden.
Wie spiegelt sich FoMO wider?
Kremer FoMO wird genährt aus dem ständigen und mitunter unbewussten Vergleichen mit anderen im Netz. Ich muss alle paar Minuten kontrollieren, ob und wie viele Likes, Klicks und Follower ich habe. Wie sonst können Kinder und Jugendliche so schnell und so einfach Rückmeldung bekommen, wie sie bei ihren Freunden ankommen? Das kann dann aber so weit gehen, dass das eigene Selbstwertgefühl abhängig von der Anzahl der Klicks, Likes und Follower ist. Und dann kann von einer Sucht gesprochen werden.
Sie haben es gesagt, es gibt ein Suchtpotenzial in den Medien. Wie kann man dagegenwirken?
kremer Eltern und Jugendliche selbst können was dagegen tun. Es sollte zunächst mal darauf geachtet werden, wie viel Zeit und Aufmerksamkeit man den Personen im realen Leben widmet. Für die Familie da sein, sich mit Freunden treffen, gemeinsam Sport treiben, der unmittelbare Austausch mit anderen sollte die Grundlage im sozialen Bereich sein. Und im Familiensystem sollte es internetfreie Zeiten für alle geben. Auch die Essenszeiten sollten ohne dem Smartphone in der Hand oder am Tisch stattfinden. Dabei haben die Eltern eine wesentliche Vorbildfunktion. VN-PEM
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